Freiheitsentziehende Maßnahmen in der Pflege

Freiheitsentziehende Maßnahmen in der Pflege nehmen zu. Derzeit werden auf rund 20 Prozent der Pflegeheimbewohner in Deutschland freiheitsentziehende Maßnahmen angewendet. Viele von ihnen leiden unter Demenz und leben in geschützten (de facto geschlossenen) Abteilungen. Damit soll sichergestellt werden, dass sie weder sich noch andere gefährden. In den Medien erscheinen freiheitsentziehende Maßnahmen immer wieder als gewaltsame Unterdrückung der persönlichen Freiheit. Dahinter steht oftmals auch die Angst vor dem „weggesperrt werden“– dem Fremdbestimmt sein.

Doch auch wenn eine solche Betreuung recht häufig vorkommt, gibt es eine Menge bürokratischer Hürden. Immer wieder taucht die Forderung nach einem gesetzlich geregelten Einweisungsgesetz auf. Dem dritten Qualitätsbericht des MDS zufolge, liegt solch eine richterliche Einweisung aber nur 88,8% der Fälle zugrunde. Nicht bei allen wird regelmäßig nachgeprüft, ob die Bedingungen für Freiheitsentzug gegeben sind.
In den letzten Jahren hat ein Umdenken begonnen. Die Anträge für freiheitsentziehende Maßnahmen haben –laut MDK und MDS- deutlich zugenommen. Dennoch ist es schwer eine Balance zwischen dem Recht auf Freiheit und der Fürsorgepflicht zu finden. Grundsätzlich darf die Freiheit einer Person nicht ohne juristischen Beschluss beschränkt werden. In der Praxis heißt dies: Selbst ein geistig verwirrter Mensch darf nicht ohne weiteres am Verlassen des Altenheimes gehindert werden. Bevor die Einweisung in einen geschlossenen Bereich erfolgt, muss das Betreuungsgericht dem zustimmen. Eine Aufnahme ohne Gerichtsbeschluss ist nur dann möglich, wenn der Betroffene einsichtsfähig ist und der Aufnahme selbst zustimmt.

Vier Formen des Freiheitsentzuges
Freiheitsentziehende Maßnahmen können in vier Stufen vorgenommen werden. Die geringste Einschränkung erfolgt durch mechanische Vorrichtungen an Bett oder Stuhl. Zum Beispiel durch Bettgitter oder Leibgurte. Die zweite Stufe beinhaltet das Absperren von Stationen oder Zimmern durch komplizierte Schließmechanismen. (Geistig gesunde Menschen können diese problemlos öffnen). Die stärkste Fixierung beinhaltet die Sedierung durch Schlaf- oder Psychopharmaka. Desweiteren gibt es Maßnahmen, die vor allem die Einschränkung der Mobilität und das Verlassen des Hauses zum Ziel haben. Dazu gehört zum Beispiel das Wegnehmen der Schuhe.

GPS-Überwachung oder nicht?
Vor allem die Frage nach GPS-Anwendung bei Patienten mit Weglauftendenz sorgt immer wieder für Diskussionen. Während das Amtsgericht 1992 Ortungschips noch völlig verbot, wurden diese 1996 bereits als genehmigungspflichtig eingestuft. 2006 bestimmte das Oberlandesgericht Brandenburg, dass Sendechips in Schuhen befestigt werden dürfen, wenn dadurch die Sicherheit des Betroffenen gewährleistet wird. Ein Chiparmband am Handgelenk dagegen wurde von mehreren Gerichten abgelehnt. Begründet wurde dies mit der Aussage Gewaltanwendung beim Anlegen durch das Pflegepersonal könne nicht ausgeschlossen werden. Derzeit muss für jeden GPS überwachten Bewohner noch eine Genehmigung beantragt werden.

Ausnahmeregelung bei akuter Selbstgefährdung
Ist ein Patient nicht mehr einsichtsfähig und die gerichtliche Regelung noch nicht bewilligt, kann im Notfall auch sofort eine freiheitsentziehende Maßnahme eingeleitet werden. Ein Notfall liegt dann vor, wenn es sich um eine körperliche oder sogar lebensbedrohliche Gefahr handelt.
Sowohl der Grad der Selbstgefährdung, als auch die ergriffenen Maßnahmen müssen in solch einem Fall genau protokolliert werden.

Quelle: Altenheim – Lösungen fürs Management. Ausgabe: 6. 2012

Gastautor

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2 Antworten

  1. Alexander sagt:

    Im folgenden Artikel wird über ein interessantes Projekt eines Pflegeheimes in Gronau berichtet die Null-Prozent-Quote bei freiheitsentziehenden Maßnahmen:
    „In Gronau läuft seit fünf Jahren ein Projekt, um auf Fixierungen komplett zu verzichten. Neben der Qualifizierung der Mitarbeiter werden dort auch technische Hilfsmittel genutzt. Zum Beispiel Niedrigbetten für Senioren, bei denen sonst nachts die Bettseitenteile hochgestellt werden müssten. „Wir haben 100 Plätze und 30 Niedrigbetten. Wenn Senioren aus so einem Bett fallen, verletzen sie sich nicht“, erklärte der Leiter der Gronauer Einrichtung, Reinhard van Loh. In zehn bis 15 Jahren will die Diakonie alle Einrichtungen mit solchen Niedrigbetten ausgerüstet haben. Die Rede ist von rund 30 Prozent der 36 000 Einrichtungsplätze, also 11 000 solcher Betten, die benötigt werden. Ein weiteres Beispiel seien Kontaktmatten, die auslösen, wenn ein Bewohner sein Zimmer verlasse, erläuterte van Loh.“

    Quelle: http://www.ivz-online.de/lokales/muensterland_arid,82846.html

  1. 23. Juni 2012

    […] werden. In der stationären Pflege dagegen gibt es immer wieder Konflikte mit den sogenannten Fixierungsmaßnahmen. Um Senioren vor Selbstgefährdung zu bewahren, werden diese festgebunden oder sogar durch […]

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