Ist das Konzept der Familienpflegezeit noch zu retten?

Geringe Nachfrage nach Familienpflegezeit

Das Bundesfamilienministerium spricht von einer guten Entwicklung der Familienpflegezeit und verweist auf rund 45 Unternehmen, die dieses Angebot inzwischen eingeführt haben. Darunter auch 14 Großunternehmen, wie beispielsweise die Deutsche Post und die Deutsche Telekom.
Sie alle unterstützen pflegende Angehörige und bieten ihnen neben einem besonderen Kündigungsschutz und dem Fortbestand der Rentenansprüche ein spezielles Gehaltsabkommen. Wer Pflegezeit in Anspruch nimmt, kann so für 50% weniger Arbeit immer noch 75% seines Gehaltes beziehen und das bis zu zwei Jahre lang. Die Mindestarbeitszeit pro Woche beträgt dabei sogar nur 15 Stunden.

Dennoch ist die Nachfrage verschwindend gering. Von den 150 000 Angestellten der Deutschen Post hat bisher nur ein einziger die Familienpflegezeit beantragt. Eine Umfrage der „Mittelbayrischen Zeitung“ ergab zudem, dass auch bei den 400 000 Beschäftigten der, vom Bundesfamilienministerium angepriesenen, 14 Großunternehmen nur knapp ein Dutzend sich bisher von dem Konzept überzeugen ließ. Doch warum ist das scheinbar flexible Konzept so drastisch gescheitert?

Einer der wichtigsten Gründe ist sicherlich die Finanzierung der Pflege. Diese verbleibt beim Antragsteller. Arbeitnehmer, die Familienpflegezeit in Anspruch nehmen, müssen sich auf einen Gehaltsverzicht von 25% Prozent einstellen und das bis zu vier Jahre lang. Wer vorher also mehr bezahlt bekommt als er arbeitet, muss dieses Geld danach wieder selbst refinanzieren. Das kann sich nur eine sehr kleine Zielgruppe leisten. Zusätzlich fürchten viele Angestellte, trotz aller Versprechen, persönliche Nachteile. Nicht zuletzt gibt es keinen Rechtsanspruch. Ist der zu Pflegende kein naher Verwandter, hat er nicht mindestens die Pflegestufe eins oder beschäftigt der Betrieb weniger als 15 Mitarbeiter, kann das Unternehmen die Familienpflegezeit ablehnen.

Die SPD glaubt längst nicht mehr an den Erfolg des Konzeptes und hat bereits einen neuen Entwurf zur Hand. Mit einem 1000-Stunden Modell will sie den Arbeitnehmern mehr Flexibilität mit garantierter Lohnfortzahlung ermöglichen. Die Finanzierung ist allerdings auch in diesem Fall noch nicht abschließend geklärt.

Alexander Keller

Ehemaliger Chefredakteur vom Wohnen im Alter Magazin.

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