Modellprojekt: Mitarbeitspflicht im Pflegeheim für Angehörige

Vier Stunden im Monat Mitarbeitspflicht im Pflegeheim Vierstrom in Gouda:

In der Stadt Gouda testet der Pflegeheimbetreiber „Vierstrom“ erstmals sein neues Konzept an zwei Pflegeeinrichtungen. Wer dort seine Angehörigen unterbringen will, muss sich verpflichten mindestens vier Stunden im Monat in der Pflegeeinrichtung mitzuarbeiten. Der Vorstandsvorsitzende Jeroen van den Oever weist explizit darauf hin, dass es sich dabei um ein Experiment handle und er sich sicher sei, trotz der rechtlich schwierigen Lage damit Erfolge zu erzielen. Rechtlich gesehen habe jeder Niederländer Anspruch auf Pflegeleistungen, allerdings nicht darauf diese in einem bestimmten Heim zu erhalten. Wer seine Angehörigen nicht im Heim praktisch mitversorgen wolle, könne auch eine andere konventionelle Einrichtung auswählen.
Obwohl Van den Oever auf die verbesserte Lebensqualität der Pflegebedürftigen verweist, verursacht seine Idee nicht nur in den Niederlanden kontroverse Diskussionen unter Pflege-Experten. Die einen erhoffen sich durch den vermehrten persönlichen Bezug und Familienanschluss geringere Medikation und Fixierung. Die anderen warnen davor, qualifiziertes Pflegepersonal durch Laien zu ersetzen.

Rudi Gosdschan, der bereits seit mehr als 30 Jahren als Einrichtungsleiter in Karlstadt tätig ist, verschärft sogar noch die Forderungen. Ihm sind vier Stunden im Monat bei weitem nicht genug. Gosdschan ist der Ansicht, dass Angehörige pro Tag eine Stunde im Pflegeheim verbringen sollten. So könnten neben Transparenz noch viele weitere positive Aspekte erreicht werden.

Mona Schöffler, Autorin und Expertin für ehrenamtliche Tätigkeiten, hält dagegen überhaupt nichts von einer Zwangsverpflichtung. Sie verweist darauf, dass einige Angehörige zeitlich oder psychisch gar nicht in der Lage seien solch eine Aufgabe zu übernehmen. Ganz abgesehen von denen Pflegebedürftigen, die keine Angehörigen mehr hätten.

Letztendlich wird nur die Zeit zeigen, ob eine verpflichtende Mitarbeit die Lebensqualität der Heimbewohner tatsächlich steigert.

Quelle: Carekonkret Nr. 36/ 7.9.2012

Alexander Keller

Ehemaliger Chefredakteur vom Wohnen im Alter Magazin.

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