Pflege in Baden-Württemberg wird zehn Prozent teurer

Preissteigerung durch Einzelzimmer:

Um rund zehn Prozent verteuern sich die Kosten für Pflegeheimplätze in Baden-Württemberg in den kommenden Jahren. Der Grund: Ab 2019 schreibt das Land Einzelzimmer vor. Dadurch fallen von rund 90.000 Heimplätzen im Südwesten etwa 18.000 weg. Zum Beispiel im Wohn- und Pflegezentrum St. Vinzenz in Plattenhardt, wo nach vierjährigem Umbau noch 200 von zuvor 279 Plätzen bleiben. „Die Gebäudekosten müssen entsprechend auf weniger Bewohner umgelegt werden,“ erklärt Einrichtungsleiter Hans Vogel. Das 1961 errichtete und 1974 und 1978 erweiterte Haus der Keppler-Stiftung habe zwar ohnehin saniert werden müssen, aber auch die Anpassung an die 2011 erlassene Landesheimbauverordnung habe eine zentrale Rolle gespielt. Aktuell habe das Caritas-Haus in vier Gebäuden noch 239 Bewohner, mit Abschluss des Umbaus sinke die Zahl bis Januar auf 200. In geringem Umfang werde es weiterhin Doppelzimmer geben, weil dies baulich nicht anders zu machen sei. Vogel, der den Schwund per Aufnahmestopp regelt, setzt dann auf eine Übergangsklausel, die das Land bis 2034 im Bestand bewilligt

Nachfrage nach Doppelzimmern:

Diese Option zieht auch Klaus Ziegler, dessen Wohngemeinschaft für Senioren (WGfS) 133 Bewohner betreut, davon rund 40 Prozent in Doppelzimmern. „Unsere drei Häuser in Filderstadt sind alle relativ neu und auf modernem Standard, da können wir uns schon betriebswirtschaftlich keinen Umbau leisten,“ sagt der Geschäftsführer, der die Einrichtung privatwirtschaftlich betreibt. Was bis 2034 sein wird, kann er noch nicht sagen. Nach seiner Beobachtung mögen die Senioren eher die Doppelzimmer, weil ihnen Geselligkeit wichtiger sei als Intimsphäre. Das gelte für Demente und Bettlägrige erst recht. Auch fragten Paare immer wieder gezielt nach Doppelzimmern.
Siegfried Wolff, Geschäftsführer des Instituts für Qualitätskennzeichnung von Sozialen Dienstleistungen (IQD), dessen Institut bundesweit seit 1996 knapp 300 Altenheime zertifiziert und hundertfach rezertifiziert hat, kennt aus der Anfangszeit sogar noch Vier-Bett-Zimmer, die gerne genutzt wurden. „Das Thema der Senioren ist eher Einsamkeit,“ so Wolff. In der Schweiz kenne er Häuser, die deshalb Mehrbettzimmer sogar aktiv kommunizieren. Das Problem, darin sind sich Experte und Betreiber einig, sind die Angehörigen, die oft von sich selbst als aktive, ruhebedürftige Menschen ausgingen und deshalb das Einzelzimmer für ihre Eltern geradezu forderten. Die grün-rote Landesregierung sei mit der bundesweit schärfsten Verordnung deren Interessen gefolgt.

Fehlende Planungssicherheit:

Arndt von Boehmer, AWO-Geschäftsführer in Stuttgart, der landesweit zwölf Häuser betreibt, bestätigt dies. Sein Haus Sonnenhalde in LE-Musberg umfasst nach einem Um- und Teilneubau 2004 auf der Basis der alten Vorgaben 68 Einzel- und 16 Doppelzimmer, was 100 Plätzen entspricht. Ihn ärgert die mangelnde Planungssicherheit und er setzt deshalb auch auf die Übergangsregelung bis 2034. Für Musberg rechnet von Boehmer vor, dass die täglichen Gebäudekosten je Heimplatz aktuell bei 11,23 Euro liegen. Wenn 16 Plätze wegfallen, erhöht sich die Umlage auf 13,37 Euro am Tag, was Mehrkosten von 65 Euro im Monat ausmacht. In St. Vinzenz steigt nach dem Umbau dieser Investitionskostensatz von 6,05 Euro auf zwölf bis 17 Euro pro Tag. Ein Heimplatz in Baden-Württemberg kostet im Schnitt in Pflegestufe II rund 3000 Euro. Laut Bundesverband privater Pflegeanbieter machen die Investitions- und Gebäudekosten daran ein gutes Drittel aus. Entsprechend steige der Heimpreis durch diese Landesvorgabe im Schnitt um zehn Prozent.

Michael Sudahl

Michael Sudahl ist freier Journalist in Schorndorf

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