Pflegedienst-Skandal: Haftstrafe für Chefin wegen Abrechnungsbetrug

Gewerbsmäßiger Betrug in 36 Fällen: Im Prozess gegen die Chefin eines Pflegedienstes in Balingen (Baden-Württemberg) und drei Mittäterinnen sind die Urteile verkündet worden. Geschäftsführerin, PDL und Mitarbeiterinnen eines ambulanten Pflegedienstes in Balingen sollen in den Jahren 2011 bis 2014 systematisch Leistungsnachweise manipuliert haben. Laut Anklage sollen sie bei Wachkomapatienten und Menschen mit Tracheostoma, die Intensivpflege brauchen, minderqualifiziertes Personal eingesetzt, aber für qualifizierte Mitarbeiter abgerechnet haben.

Zwei Jahre und neun Monate Haft für

Nun ist das Urteil ergangen: Wie die „Schwäbische Zeitung“ aus Balingen berichtet, muss die ehemalige Geschäftsführerin des Pflegedienstes wegen gewerbsmäßigen Betrugs in 36 Fällen für zwei Jahre und neun Monate in Haft. Die Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten für die ehemalige PDL wurde vom Schöffengericht (Amtsgericht Hechingen) für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Im Fall der ehemaligen Geschäftsführerin werde von Gewerbsmäßigkeit ausgegangen, sagte der Vorsitzende Richter Ernst Wührl in der Urteilsbegründung. Die Abrechnungen seien bei drei Intensivpflegepatienten jahrelang manipuliert worden, wodurch den Krankenkassen ein Schaden von „ganz grob geschätzt“ 200 .000 Euro entstanden sei: der AOK Neckar-Alb ein Schaden von 140.000 Euro, der Barmer GEK und der DAK zusammengerechnet rund 60 000 Euro.

Geringere Strafen für Angestellte

Die persönlichen Verhältnisse der ehemaligen PDL, die derzeit als Narkoseschwester in einer Klinik arbeitet (zweimal geschieden, alleinerziehend mit zwei Kindern und einer pflegebedürftigen Mutter im Haus, wirkten sich haftmildernd aus. Es habe aber Mittäterschaft in allen Fällen gegeben, so Richter Wührl: „Sie waren mit eingebunden, haben die Taten mitgetragen“, sagte er. Zur Bewährungsstrafe kommt eine Geldauflage von 5000 Euro, zahlbar an die Lebenshilfe Zollernalb und die Mariaberger Heime. Eine Altenpflegerin, die als Teamleiterin mehr Verantwortung getragen habe als eine normale Pflegekraft und auch an der Erstellung der Dienstpläne beteiligt gewesen sei, wurde zu 270 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt.Die vierte Beschuldigte, die als geringfügig Beschäftigte bei dem Balinger Pflegedienst angestellt war und ihren Sohn, der im Wachkoma liegt, zum Teil selbst gepflegt und versorgt hatte, was ebenfalls abgerechnet worden war, muss 180 Tagessätze zu je 50 Euro bezahlen. Die Leistungsnachweise habe sie alle unterschrieben, und sie habe auch selbst Schichten übernommen, für die wohl mit dem Namen „Irina Krankenschwester“ abgerechnet worden sei. Eine „Irina“ habe bei dem Pflegedienst aber nie gearbeitet.

Gesundheitsminister kündigt schärfere Gesetze an

Am Wochenende hat Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) eine rasche Gesetzesverschärfung angekündigt, um Betrug in der ambulanten Pflege einzudämmen. Künftig könnten sämtliche Pflegedienste in Deutschland unangemeldet kontrolliert werden, wenn ein Verdacht gegen sie vorliege, sagte der Politiker gegenüber den Medien der „Funke-Gruppe“. Dies werde im dritten Pflegestärkungsgesetz verankert, das Ende Juni im Bundeskabinett beschlossen werde. Bisher könnten die Kontrolleure der Krankenversicherung nur bei Diensten der ambulanten Altenpflege tätig werden – und nicht bei Diensten, die ausschließlich häusliche Krankenpflege machten. Außerdem würden die Pflegekassen verpflichtet, schon bei der Zulassung von Pflegediensten sicherzustellen, dass sich kriminelle Dienste nicht einfach unter neuem Namen oder über Strohmänner eine neue Zulassung erschleichen könnten, sagte Gröhe. Zudem rief er auch die Familien zur Wachsamkeit auf: „Wo Pflegebedürftige oder ihre Angehörigen den Verdacht haben, von einem Pflegedienst hintergangen zu werden, sollten sie sich an die Fehlverhaltensstellen der Krankenkassen wenden, die wir mit dem Korruptionsbekämpfungsgesetz gestärkt und zur Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft verpflichtet haben“, sagte der Minister.

Quelle:CareInvest

Alexander Keller

Ehemaliger Chefredakteur vom Wohnen im Alter Magazin.

3 Antworten

  1. wagener sagt:

    ich habe da eine ansicht zu, nur ist dies grad nicht mein anliegen.
    ich bin examinierte altenpflegerin, tätig im ambulanten dienst.
    ich habe vor ein paar tagen feststellen müßen, dass mein kürzel, von einem anderen mitarbeiter benutzt wurde.
    leistungsnachweise mußten neu geschrieben werden, da die kundin in die leistungsnachweise bemerkungen festhielt.
    anscheinend hat man die leistungsnachweise neu geschrieben und alles nachgetragen, auch die kürzel/unterschrift.
    da ich nichts nachgetragen habe, und nur durch einen zufall darauf gestoßen bin, wurde mein kürzel mißbräuchlich benutzt.
    da ich keinen guten stand in unserem betrieb habe, ich pflege mit herz und verstand, habe ich keinen ansprechpartner.
    auch bei uns werden leistungen abgerechnet, die nicht erbracht werden.
    nicht so dramatisch wie in dem beschrieben fall, aber denoch kleinvieh macht auch mist.
    wie soll ich mich in dem fall, der kürzel/unterschrift „fälschung“ , verhalten, rechtlich gesehen.
    meine idee war, dies beim nächsten teamgespräch anzusprechen und offen zu erfragen, wer dies getan hat. viel erfolg verspreche ich mir nicht davon.
    meine angst ist die, dass die mein kürzel ja überall hinsetzten können, und ich bekomme dies noch nicht einmal mit….werde möglich in straftaten hineingezogen.
    kann ich dies bei der polizei oder anderswo, im nottfall anzeigen, dokumentieren lassen?
    über einen rat würde ich mich echt freuen.

  1. 18. Dezember 2017

    […] Betroffene Pflegedienste, denen eine Betrugsabsicht vorgeworfen wird, sollten sich daher bei entsprechenden Anschuldigungen unbedingt einen erfahrenen Strafverteidiger suchen. […]

  2. 18. Dezember 2017

    […] Betroffene Pflegedienste, denen eine Betrugsabsicht vorgeworfen wird, sollten sich daher bei entsprechenden Anschuldigungen unbedingt einen erfahrenen Strafverteidiger suchen. […]

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