Damit es Oma gutgeht: Gegen Pflegeausbeutung in der „24 Stunden Pflege“

Schlechte Noten für die staatlich geförderte Pflegezusatzversicherung

Schattenwirtschaft in der privaten Betreuung verhindern

Neuer Vorstoß zur Schattenwirtschaft Altenpflege: Bernhard Emunds, Professor für Christliche Gesellschaftsethik und Sozialphilosophie sowie Leiter des Oswald von Nell-Breuning-Instituts, hat ein Modell entwickelt, das die Pflegearbeit von osteuropäischen Migrantinnen in deutschen Seniorenhaushalten regulieren soll:. „Die Bundesregierung verschließt bisher vor den teilweise skandalösen Arbeits- und Lebensbedingungen die Augen.“ Der Sozialethiker Prof. Bernhard Emunds hat ein Modell entwickelt, das die Pflegearbeit von osteuropäischen Pflegekräften in deutschen Seniorenhaushalten menschlicher machen soll. Der Frankfurter Forscher beklagte im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd), dass „die Bundesregierung vor den teilweise skandalösen Arbeits- und Lebensbedingungen die Augen verschließt. Sie tut so, als gäbe es bei dieser Beschäftigung in Privathaushalten keine Probleme“, sagte Emunds.

Pflege-Ausbeutung in den eigenen vier Wänden

Die sogenannten 24-Stunden-Pflegerinnen, die meist auch in den Senioren-Haushalten wohnen, seien in der Regel an sieben Tagen die Woche im Einsatz. Pausen von zwölf oder mehr Stunden, in der sie nichts für ihre betagten Arbeitgeber tun müssten, seien die Ausnahme. „Von den 100.000 bis 200.000 Polinnen, Bulgarinnen, Rumäninnen und Ungarinnen arbeiten die meisten schwarz oder als Scheinselbstständige“, sagte der Leiter des Oswald von Nell-Breuning-Instituts der Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main. Emunds hat seine Forschungsergebnisse in dem Buch „Damit es Oma gutgeht“ veröffentlicht. Darin macht der Theologe und Ökonom der Politik einen detaillierten Vorschlag, wie sie „die Missstände beseitigen oder zumindest deutlich reduzieren kann“. Dabei rät er trotz der regelmäßigen Gesetzesverstöße gegen Steuer, Sozial- und Arbeitsrecht von Razzien und Steuerfahndungen in Privathaushalten ab. Statt einer „Regulierung mit der Brechstange“ empfiehlt der Frankfurter Sozialethiker eine „Mischstrategie der Regulierung und der Förderung“.

Kontrolle in der privaten 24 Stunden Pflege

Aus seiner Sicht bieten sich drei Komponenten zur Kontrolle der 24 Stunden Pflege an: Erstens solle der Gesetzgeber eine Sonderregelung für die Arbeitszeit der osteuropäischen Pflegekräfte einführen. „Die Arbeitgeber könnten verpflichtet werden, ihren Arbeitnehmern in jeder Woche mindestens 24 Stunden arbeitsfreie Zeit am Stück einzuräumen.“ Außerdem sollte ein Arbeitnehmer nicht länger als drei Monate durchgehend arbeiten dürfen. Zweitens schlägt Emunds vor, in der gesetzlichen Pflegeversicherung – nach österreichischem Vorbild – einen Zuschuss von rund 500 Euro pro Monat für Pflegehaushalte einzuführen, in denen eine solche Pflegekraft tätig wird. Dieser Pflegezuschuss sollte aber nur gezahlt werden, wenn die Angehörigen die Angestellte sozialversicherungspflichtig beschäftigen. Drittens sollten die deutschen Haushalte verpflichtet werden, einer professionellen Wohlfahrtsorganisation Einblick die häusliche Betreuung zu geben. Dazu gehöre dann mindestens ein monatlicher Besuch in jedem Haushalt: zur Unterstützung, aber auch zur Kontrolle.

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Der Pflegenotstand in Deutschland wird für Betroffene zunehmend zur menschlichen Katastrophe. Mangels staatlicher Unterstützung sind immer mehr Familien gezwungen, Pflegekräfte aus Ost- und Mitteleuropa einzustellen, um Kosten zu sparen. Sogenannte „Live-Ins“, die rund um die Uhr in privaten Haushalten von Pflegebedürftigen leben, müssen oft unter extrem unfairen Bedingungen arbeiten. Eine Besserung ist bislang nicht in Sicht – denn zu sehr profitiert auch der deutsche Staat von dieser Ausbeutung. Wird ein Familienmitglied zum Pflegefall, bedeutet dies oft eine Flut von Aufgaben und Problemen für Angehörige. Angesichts unterfinanzierter Pflegeheime sowie Schreckensmeldungen aus den Medien beschließen betroffene Familien immer häufiger, das eigene Zuhause zur Pflegestation zu machen – und suchen sich billige Pflegefachkräfte für die Aufgaben, die keiner machen will. Die deut­sche Politik hät, auch aus Kostengründen, am Vorrang der häuslichen Pflege fest und verschärft den desolaten Zustand sogar noch, indem sie grundlegende Schutzvorschriften, wie etwa eine Begrenzung der Arbeitszeit, außer Kraft setzt. Gewollte Ausbeutung? Bernhard Emunds prangert ein System an, in dem die Pflege älterer Menschen in ein illegales, aber von der Politik geduldetes Modell abdriftet, und zeigt mögliche Auswege aus der Pflegemisere.

Quelle: CareInvest

Alexander Keller

Ehemaliger Chefredakteur vom Wohnen im Alter Magazin.

Eine Antwort

  1. Noah sagt:

    Da werden ein paar wichtige Sachen benannt. Jede Pflegekraft sollte in jeder Woche mindestens 24 Stunden arbeitsfreie Zeit haben. Auch die anderen Punkte sind interessant. Ich finde es gut, dass Prof. Emunds sich darüber Gedanken macht.

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