Bundesweit arbeiten aktuell 250 qualifizierte Clowns in Pflege und Kliniken
Stumpf blickt die 90-Jährige vor sich hin. „Wie heißt Du denn?“ kommt Piepsi auf die demente Seniorin zu. Die monotone Antwort: „Anna“. Sekunden später sitzt die rot-gelb kostümierte Clownin bei Anna, hält deren Hand und lenkt ihren Blick auf den jungen Pfleger mit der Frage: „Gefällt Dir der?“ Dieses Mal fällt die Antwort der Altenheimbewohnerin länger aus: „Der ist jung und ich bin alt – das passt.“
Piepsi, die 31-jährige Esslingerin, kommt seit vier Jahren nach Filderstadt in die Wohngemeinschaft für Senioren. Zweimal im Monat sorgt die Theaterpädagogin mit der roten Clownsnase und den Blumen im Haar auf der Demenzstation im dritten Stock für Heiterkeit. „Ich bespaße die Alten nicht“, sagt Angelina Haug 90 Minuten später, nachdem sie sich wieder umgezogen hat. In Zivil würden die Dementen die zierliche Frau nicht erkennen und kaum auf sie reagieren. Doch als Piepsi entlockt sie vielen Bewohnern die unterschiedlichsten Reaktionen.
Diese Wirkung haben Kliniken längst erkannt. Und immer mehr Pflegeheime ziehen nach. Aktuell gibt es bundesweit rund 250 dieser qualifizierten Clowns, die für ihr verantwortungsvolles Tun im sensiblen Umfeld zwischen Medizin und Pflege eine künstlerische, psychologische und pädagogische Ausbildung haben. „Wo eine intellektuelle Begegnung nicht mehr funktioniert, kommuniziert der Clown von Herz zu Herz,“ sagt Christel Ruckgaber über den Einsatz auf Demenzstationen. Beim Tübinger Verein Clowns im Dienst bildet sie Interessierte aus.
„Im Zirkus war der Clown lange der ulkige Pausenfüller, bei uns schließt er eine emotionale Lücke,“ begründet Klaus Ziegler, weshalb er seit sechs Jahren mit Angelina Haug zusammenarbeitet. Der Geschäftsführer der Wohngemeinschaft für Senioren legt Wert darauf, dass Piepsi seine Bewohner nicht bespaßt. Respekt ist unverzichtbar, weshalb die Künstlerin anklopft, bevor sie ein Zimmer betritt. Bei den Alten sei nicht wichtig, dass gelacht wird. Körperliche Nähe dagegen schon.
Dr. Claus Barkmann vom Zentrum für psychosoziale Medizin am Uni-Klinikum Hamburg-Eppendorf hat 24 Studien über Clowns in Klinik und (Alten-)Pflege ausgewertet, die seit 1998 entstanden sind. „Angst- und stressreduzierende Effekte“ seien nachgewiesen – auch bei Angehörigen. In einer 25. Studie hat er selbst 2011 erstmals 87 Clowns befragt. Auch diese bestätigt: Die Spaßmacher hellen die Stimmung auf den Stationen auf, werden von den Mitarbeitern als Bereicherung erlebt und stiften den Betroffenen „etwas zutiefst Humanistisches, etwas Ideelles.“ Die Dialoge im Demenzumfeld folgen zwei Grundregeln: Nie widersprechen, denn das macht die Alten traurig oder aggressiv und immer konsequent Duzen, denn das stellt Nähe und Vertrautheit her. Kaum eine Begegnung dauert länger als drei, vier Minuten und immer wieder stellt sich ein Clown intuitiv auf sein Gegenüber ein.
Barkmanns Studie hat übrigens auch ermittelt, dass der Klinik- oder Demenzclown im Schnitt 43,3 Jahre alt und mehrheitlich weiblich ist. Ein Viertel kommt aus der Schauspielerei, ein Viertel aus dem Gesundheits- oder Erziehungswesen und die verbleibende Hälfte ist vom Augenoptiker über den Koch bis zum Handwerker breit gestreut. Gemeinsam ist allen, dass sie Lebensfreude vermitteln wollen und dazu Musik, Akrobatik, Pantomime, Verkleidung und Zauberei einsetzen.
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