Digitalisierung in der Pflege
Durch die exponentiell steigende Zahl pflegebedürftiger Menschen und dem gleichzeitigen Personalmangel im pflegerischen Bereich, müssen Lösungen gefunden werden, um den zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden. Eine dieser Lösungen könnte die Digitalisierung der Pflege sein.
Die Digitalisierung beschreibt ursprünglich die Umstellung analoger Schriftstücke in die digitale Form. Die allgemeine Digitalisierung ist bereits in vielen Bereichen des Lebens eingekehrt, so füllen wir größtenteils bereits Unterlagen mit unserem Smartphone oder Computer aus, machen digitale Fotos, hören digitale Musik oder tätigen unsere Einkäufe online.
Gerade im Bereich der Pflege sind durch den hohen Qualitätsstandard viele Dokumente und Schriftstücke notwendig, um eine optimale Pflege- und Versorgungssituation für die pflegebedürftigen Menschen zu schaffen. Dies hat zum Vorteil, dass eine vollumfängliche Erfassung aller pflegerelevanten und gesundheitsspezifischen Daten erfolgt, um einen ganzheitlichen Pflegeprozess der Pflegebedürftigen zu ermöglichen.
Der größte Nachteil analoger Dokumentation ist, dass durch die Vielzahl an Schriftstücken ein erhöhter Zeitaufwand betrieben werden muss, um den Dokumentationsanforderungen gerecht zu werden. Hinzu kommen Kostenfaktoren für Papier, Drucker und Toner. Genau in diesem Bereich kann die Digitalisierung von Vorteil sein und kann aktiv dabei helfen die Pflege nachweislich zu entlasten.
Der aktuelle Stand
Das Technik oder technische Hilfsmittel in der Pflege eingesetzt werden ist keine Neuigkeit. Technische Hilfsmittel entlasten seit langem Pflegekräfte in ihrer täglichen Arbeit. Ein Blick auf die Arbeitswelt im pflegerischen Bereich zeigt, dass die Digitalisierung bereits auf dem Vormarsch ist. Es werden zunehmend IT gestützte Systeme und technische Hilfsmittel eingesetzt und erprobt. Aufgrund der wenig transparenten Datenlage ist es jedoch unklar, wie weit der Fortschritt im Detail ist. Es gibt aber viele Hinweise darauf, dass die Pflege im Bereich der Digitalisierung ein absoluter Nachzügler im Gegensatz zu anderen Branchen ist.
Was hat die Pflege von der Digitalisierung?
Durch die Digitalisierung können Arbeitsprozesse optimiert sowie wertvolle Zeit für die aller wichtigsten Dinge im professionellen Pflegealltag, den Patienten*innen/ Bewohnern*innen/ Kunden*innen, gewonnen werden. Eine Auflistung der Vorteile:
- Steigende Attraktivität des Berufsbildes der Pflege durch vermehrten Einsatz von Technik.
- Schneller Zugriff auf Informationen und Austausch unter den am Pflegeprozess beteiligten Berufsgruppen (Pflegekräfte, Therapeuten, Ärzte).
- Automatische Prozessoptimierung bei Assessments und pflegerischen Veränderungen.
- Mobiles Arbeiten durch Tablets möglich, wodurch unnötige Lauf- oder Umwege entstehen.
- Senkung des Zeitaufwandes bei der Pflegedokumentation.
- Verbessertes Beschwerdemanagement durch übersichtliche Informationseingabe.
- Schnellere Kommunikation im beruflichen Alltag.
Möglichkeiten der Digitalisierung in der Pflegebranche
In vielen Bereichen der Pflegebranche gibt es bereits viele Systeme, um die Alltagsprozesse zu vereinfachen und zu optimieren. Hierzu zählen vor allem die Bereiche der Dienstplanung, elektronische Pflegedokumentation, technische Assistenzsysteme, Telecare und Robotik.
Dienstplanung
Es gibt verschiedenste IT-gestützte Systeme für die Dienstplangestaltung auf dem Markt. Die Systeme bieten eine unmittelbare Visualisierung der Konsequenzen einer Entscheidung im Dienstplanungsprozess. Es können genaue Angaben zur Besetzung und Hinweise bzgl. Überstunden, Ruhezeiten oder anderen gesetzlichen Kriterien abgerufen werden.
Ein besonderer Vorteil besteht bei der freien Dienstplanung mit flexiblen Arbeitszeitkonten. Des Weiteren ermöglichen diese Systeme eine vereinfachte Pflege des Stammpersonals, Übersicht der Krankheitstage, vereinfachte Urlaubsplanung, die Entwicklung von Arbeitszeitmodellen, eine genaue Zeiterfassung und digitale Personalakten.
Elektronische Pflegedokumentation
Die elektronische (EDV gestützte) Pflegedokumentation ist mittlerweile weit verbreitet und in stetiger Entwicklung. Laut einer Datenerfassung aus dem Jahr 2017, nutzen bereits mehr als 70 Prozent aller Pflegeeinrichtungen die elektronische Pflegedokumentation. Es ist davon auszugehen, dass im Jahr 2021 bereits eine größere Anzahl an pflegerischen Einrichtungen EDV gestützt Pflegedokumentation nutzen. Die elektronische Pflegedokumentation beinhaltet die Planung und Informationssammlung um die Versorgung von pflegebedürftigen Personen gewährleisten zu können und dient als Abrechnungsgrundlage für die Rechnung an die Pflege- und Krankenversicherungen.
Für die elektronische Pflegedokumentation werden in der Regel feste und/ oder mobile Endgeräte genutzt. Im stationären Bereich sind dies meistens feste PC-Systeme mit festen Standorten in den Dienstzimmern der Einrichtung. Im ambulanten Sektor setzt man dagegen auf mobile Endgeräte wie Tablets oder Smartphones.
Die elektronische Pflegedokumentation sorgt im Allgemeinen für einen besseren Informationsaustausch zwischen allen im Pflegealltag beteiligten Berufsgruppen und einem besseren Zeitmanagement im Tagesablauf. In den meisten Fällen sind in der elektronischen Pflegedokumentation ebenfalls das Qualitätsmanagementhandbuch sowie alle Verfahrensanweisungen und unternehmensspezifische Standards hinterlegt.
Technische Assistenzsysteme
In der Pflegepraxis finden technische Assistenzsysteme schon seit geraumer Zeit ihre Daseinsberechtigung. Vor allem die umgebungsunterstützenden Assistenzsysteme (AAL), haben es bereits in großer Zahl in die Pflegepraxis geschafft. Hierzu zählen:
- Automatische Nachtbeleuchtung
- Sensormatten zur Sturzerkennung/ -prophylaxe
- Vitalzeichenmonitoring
- Sprachassistenzsysteme
- Hausnotrufsysteme
Diese Systeme unterstützen dabei, die Versorgung der pflegebedürftigen Menschen zu optimieren, zu vereinfachen und ihnen mehr Sicherheit in ihrer wohnlichen Umgebung zu bieten. Die aufgezeigten Möglichkeiten kommen auch immer mehr im stationären Bereich zum Einsatz. Dies betrifft vor allem das Vitalzeichenmonitoring, bei dem alle wichtigen Vitalzeichen der pflegebedürftigen Person direkt auf einen Monitor im Stationszimmer übertragen werden. Sprachassistenzsysteme helfen dabei Menschen, die nicht mehr in der Lage sind verbal zu kommunizieren, sich mit deren Angehörigen und den Pflegefachpersonen zu verständigen.
Telecare
Telecare soll eine Schnittstelle zwischen Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen bilden. Durch die Videokommunikation soll der Austausch zwischen Ärzten und Pflegepersonal über eine Videovisite schneller und Patientengerecht durchgeführt werden. So können Probleme durch den behandelnden Arzt aus der Ferne in Augenschein genommen werden und auf den kurzen Weg medizinisch relevante Entscheidungen getroffen werden.
Telecare würde besonders in ländlichen Regionen seine Stärken haben. Die Problematik hierbei ist allerdings, dass der Breitband- und Glasfaserausbau in vielen Regionen Deutschlands noch sehr mangelhaft ist. Hinzu kommen finanzielle Förderungsproblematiken innerhalb der Pflegeeinrichtungen.
Robotik
Die Robotik soll die Zukunft der Pflege sein. In vielerlei Hinsicht, kann die Robotik dabei unterstützen, Abläufe im Bereich der Pflegebranche zu optimieren und das Pflegepersonal zu entlasten. Innovationen sind bereits in hoch technisierten Länder wie Japan auf dem Vormarsch. So gibt es beispielsweise Serviceroboter in Pflegeeinrichtungen die den pflegebedürftigen Menschen mit Snacks und Getränken versorgt oder humanoide Roboter, die zur Förderung der sozialen Interaktion beitragen.
Für den Bereich des Pflegepersonals werden Systeme zur körperlichen Entlastung bei der Mobilisierung schwer Pflegebedürftiger bereits getestet. Dazu gehört beispielsweise ein Exo-Skelett, welches die Rumpfstabilität der Pflegepersonen erhöht und durch Hydraulik das Heben der Pflegebedürftigen erleichtert.
Der Robotik im Bereich der Pflege wird allerdings große Skepsis entgegengebracht. Viele befürchten einen Schritt zur Entmenschlichung wenn Pflegebedürftige zukünftig durch Roboter gepflegt werden sollen. Auf Seiten der Pflegekräfte wird die Robotik als eher positiv und als zukünftige Chance der Entlastung gesehen.
Förderung der Digitalisierung
Laut dem Pflegepersonalstärkungsgesetz (PpSG) §8 Abs.8 SGB XI wird die Digitalisierung im pflegerischen Bereich gefördert. Das neue Pflegestärkungsgesetz enthält Förderungspunkte, um den pflegerischen Sektor im Bereich der Personalausstattung und Arbeitsbedingungen zu entlasten. Die Pflegeversicherung stellt bis zum Jahr 2023 Fördermittel für den Bereich der Digitalisierung zur Verfügung. So können ambulante und stationäre Träger einen einmaligen Zuschuss für EDV-Systeme erhalten.
Der Zuschuss kommt insbesondere der elektronischen Pflegedokumentation, dem Qualitätsmanagement für die Erhebung der Qualitätsindikatoren, der interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Pflegeeinrichtungen und dem Bereich der Aus-, Fort- und Weiterbildungen zu Gute. 40 Prozent der anfallenden Kosten für die digitale und technische Ausstattung sowie die damit verbundenen Schulungen werden von den Pflegeversicherungen übernommen. Höchstens ist ein Zuschuss von 12.000 Euro möglich.
Aussichten
Bis zur vollständigen Digitalisierung im pflegerischen Bereich ist es zwar noch ein weiter Weg, jedoch ist der Anfang bereits gemacht. Immer mehr Träger von pflegerischen Einrichtungen rüsten nach und gehen den Schritt hin zum digitalen Zeitalter. Es gibt heutzutage eine große Bandbreite an Produkten um die elektronische Pflegedokumentation, die Dienstplanung und die Assistenzsysteme effizient zu nutzen.
Durch die aktiven Förderungsmittel der Pflegeversicherungen sollte der Schritt umso leichter sein. Eine zukunftsweisende Aussicht sollte in jedem Fall die digitale Vernetzung der einzelnen Systeme sein. Hierdurch würde der analoge Schriftverkehr sowie die unnötig langen Wartezeiten einem Ende gesetzt werden. Wann dies so weit ist, bleibt abzuwarten.
Geprüft durch Pflegeexperte Florian Seybecke
- Jahrelange Erfahrung in den verschiedensten Settings in der professionellen Pflege (Pflegeheim, Intensivpflege, akut Krankenhaus, 1:1 Betreuung)
- Fort- und Weiterbildungen in der Pflege u.a Studium Bachelor of Science Pflege, Weiterbildung zum Pflegeexperten für Menschen im Wachkoma und MCS, DGCC, zertifizierter Case Manager und verantwortliche Pflegefachkraft zum Leiten einer pflegerischen Einrichtung.
- Deutschlandweite Schulungen in NAT. Expertenstandards, Notfallintervention und allgemeine Krankheitslehre in der Pflege.
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