Kompetenzwerkstatt Demenz: Ballspiel bringt Leben in die Bude
Schulprojekt auf Demenzstation:
Wo Minuten zuvor Senioren noch teilnahmslos beisammen saßen, fliegt nun ein Filzball. Alte Menschen lachen und sprechen miteinander. Weitere kommen dazu. Den Impuls setzten zwei Siebtklässlern der Ludwig-Uhland-Schule in Leinfelden. Der 13-jährige Max und die 14-jährige Annika verbringen im Rahmen eines Projektes „Kompetenzwerkstatt“, das an ihrer Schule als zusätzliches Fach befristet wöchentlich unterrichtet wird, einen Nachmittag auf der Demenzstation der Wohngemeinschaft für Senioren (WGfS) in Filderstadt-Bernhausen. Die Werkstatt, die die Agentur für Arbeit fördert, ist eine Initiative des Jugendkulturzentrums Areal in Leinfelden-Echterdingen, dessen Träger der Kreisjugendring Esslingen e.V. ist. Ziel des Projektes ist es, Förder-, Werkreal- und Realschüler der Klassenstufen sechs bis acht Erfahrungen zu ermöglichen, die ihnen die Berufswahl erleichtern. Martha Kessmann, die den praktischen Teil ihres Dualen Studiums der Sozialpädagogik in der WGfS gemacht hatte, arbeitet heute im Jugendhaus Areal in diesem Projekt. Mit einem Kollegen betreut sie in Annikas und Max‘ Klasse in zwei Gruppen 20 Schüler.
Begegnung mit Demenzkranken
Zunächst war es darum gegangen, dass sich die Jugendlichen ihrer Stärken und Schwächen bewusst werden, sich ausprobieren und für sich geeignete Berufsfelder in Kindergärten, Pflegeheimen oder im Handwerk identifizieren. „Mich interessiert, wie alte Leute leben,“ sagt Max über seine Motive und Annika ergänzt: „Was machen die den ganzen Tag, wenn sie so viel Zeit haben?“ Auch wollten die Schüler, deren Großeltern teils tot oder weit entfernt leben, Demente erleben. Im zweiten Schritt recherchierten die Siebtklässler das Krankheitsbild; Aktivitäten, die sie mit den Betroffenen unternehmen könnten und Adressen, wo sie dementen Menschen begegnen könnten. Schließlich stand der Nachmittag selbst an, für den Annika und Max ein Programm erarbeitet hatten. Abschließend wird das Duo seine Erfahrungen im Jugendhaus vor Mitschülern, deren Eltern und Lehrern präsentieren.
Lesen, lachen, spielen
Auf der Demenzstation brach das Eis zwischen den Generationen nach wenigen Minuten. Entscheidend dafür war, dass sich die Siebtklässler – quasi auf Augenhöhe – zu den Senioren in eine Polstergruppe setzten. Schon bald müssen weitere Stühle und Sessel hinzu geschoben werden, weil die muntere Gruppe abseits der Tagesroutine Neugierde auslöst. Manche, denen man ihre Demenz ohnehin nicht ansieht und die auch im Gespräch für Ungeübte kaum zu erkennen ist, platzieren sich neugierig im Hintergrund auf ihren Rollatoren oder lehnen beobachtend an der Fensterbank.
Als Annika und Max im Wechsel „Dornröschen“ vorlesen, kommen aus der Zuhörerschaft Kommentare wie „laut und deutlich“ oder „Mädchen, du hast aber ein schönes Gesicht.“ Mit der Zeit lernen die beiden, sich davon nicht irritieren zu lassen. Gelegentlich springt auch ein Pfleger oder Projektbetreuerin Kessmann ein, die die Senioren um Aufmerksamkeit bitten. Denn manchen regen Begriffe wie Prinzessin, König oder Schloss selbst an, Erinnerungen zu erzählen. Rasch vergeht die Zeit. Und als der Filzball quer durch die Runde fliegt, sind die Jugendlichen überrascht, wie viel Reaktionsvermögen und Fitness manche der Bewohner zeigen.
Weitere Informationen:
www.jh-areal.de
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