Strategischer Einkauf medizinischer Hilfsmittel
Der Markt für Medizingeräte und Pflegehilfsmittel ist Milliarden Euro schwer – und der Kuchen wächst weiter. Parallel müssen sich Pflegeheimbetreiber nach der finanziellen Decke strecken. Für Hersteller von Pflegebetten oder Inkontinenzhilfen bleiben sie mit ihren vermeintlich großen Etats aber attraktive Geschäftspartner.
Der aktuelle Pflegereport der Barmer GEK belegt: 2013 stieg die Zahl der Pflegebedürftigen bundesweit um 3,5 Prozent auf 2,5 Millionen Alte. Aktuell hat Sachsen-Anhalt demnach mehr Pflegebedürftige als Baden-Württemberg. Bis 2050 wandelt sich die Lage aber dramatisch. Der Grund: Sachsen-Anhalt hat bis dahin nur einen Zuwachs von 57 Prozent, Baden-Württemberg aber von 113 Prozent, weil dann die zugewanderten Arbeitskräfte potentiell pflegebedürftig sind.
Vor diesem Hintergrund verschieben sich Angebot und Nachfrage regional sehr unterschiedlich, was etwas mit der Auslastungsquote der Pflegeheime zu tun hat und deshalb auch mit deren Ertragslage und (Ein-)Kaufkraft. So erreicht die Stuttgarter AWO Sozial gGmbH, die im Speckgürtel der Landeshauptstadt zwölf Häuser betreibt, allenfalls statistisch die Regelbelegung von 96,5 Prozent, die den Basiswert für die Pflegesatzverhandlungen mit den Krankenkassen bildet.
Geschäftsführer Arndt von Böhmer: „Je ein Drittel unserer Häuser liegt bei 90 Prozent, 96,5 Prozent und 98 Prozent“. Dazu muss man wissen, dass die Kassen bis 2002 für Verstorbene zehn Tage über den Tod hinaus bezahlt hatten. Heute stellen sie tagesaktuell ihre Überweisung ein, bei deutlich höherer Fluktuation, was die Belegungsquote weiter verschlechtert. „Drei Tage für eine Neubelegung müssen Sie mindestens rechnen“, sagt ein Heimleiter, der nicht genannt werden will. Der Grund: Mit der Todesnachricht muss er Angehörige drängen, das Zimmer zu räumen, sofern er wartende Nachrücker hat. In der Praxis ist dies immer seltener der Fall, obwohl die Verweildauer teils auf unter ein Jahr sinkt. Denn vielerorts ist das Angebot schneller gewachsen als die Nachfrage und viele Angehörige improvisieren – teils mit fragwürdigen Methoden – mit häuslicher Pflege, weil sie die hohen Heimkosten vermeiden wollen.
Vor diesem Hintergrund treten Heimbetreiber mit im toskanischen Stil geprägten Bädern, komfortablen Pflegebetten oder hochwertigen Inkontinenzhilfen in den Wettbewerb mit konkurrierenden, lokalen Anbietern. „Jedes Zehntel höhere Belegungsquote rechtfertigt diese Investition“, sagt ein großer Betreiber in Bayern. Und Barbara Lauffer-Spindler, Einkäuferin der Samariterstiftung mit 24 Häusern in Württemberg, ergänzt: „Teure Inkontinenzhilfen muss man in einer Gesamtbetrachtung sehen.“ Diese verbesserten etwa den Komfort für die Bewohner, ermöglichten den Mitarbeitern individuelle Wechselintervalle oder senkten den Reinigungsbedarf der Bewohnerwäsche. In Summe kann Personal so zielgerichteter und effizienter arbeiten – bei besseren Ergebnissen.
Uneinheitlich gestaltet sich der Markt auf Grund der Komplexität auch für die Hersteller, die primär den Kundennutzen kommunizieren, informieren und beraten sollten. Doch daran fehlt es immer wieder, glaubt man den Aussagen der Einkäufer. Zwar wird den Vertriebsleuten Freundlichkeit attestiert, doch statt Beratung und Information bekomme man häufig Power-Selling präsentiert, das eher über Rabatte denn über Vorzüge informiert.
Üblich in der Branche sind Rahmenverträge mit einzelnen Herstellern, wie sie etwa die Paul Wilhelm von Keppler-Stiftung in Sindelfingen hat. Bei 2000 Bewohnern in 23 Häusern und einer Ersatzbeschaffung von Betten nach 20 Jahren kann hier ein Hersteller statistisch 100 Betten pro Jahr liefern. Kosten diese im Schnitt 1200 Euro, bedeutet dies ein Jahresbudget von 120.000 Euro.
Stiftungs-Geschäftsführer Dr. Andreas Maurer ordert über eine Einkaufsgesellschaft diese Betten, aber auch Inkontinenzhilfen und Lebensmittel, die dann dezentral geliefert werden. Das Bett gibt es in einer Basisvariante, Variationen davon sind Überlängen oder medizinische Features. Das vereinfacht zum Beispiel die Ersatzteillogistik. Viele weitere Produkte können seine Häuser dezentral über ein Online-Portal kaufen, auf dem Hersteller und Erzeugnisse gelistet sind.
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