Flüchtlingswelle trifft auf Fachkräftemangel
Korrich Abdelkader lernt Altenpfleger bei der Wohngemeinschaft für Senioren (WGfS). Der 27-jährige Algerier ist kein Einzelfall. Immer mehr Flüchtlinge kommen aktuell bundesweit in Ausbildung oder Einstiegsqualifizierungen – und nicht nur in der Pflege.
Es sind Menschen wie Inge Teichmann, die aktuell in Filderstadt dafür sorgen, dass Flüchtlingen geholfen wird. Die 67-jährige unterrichtet seit zwei Jahren ehrenamtlich in der Sammelunterkunft in Bernhausen acht Flüchtlinge in Deutsch. „Ich bin von meinen Jungs begeistert, deshalb helfe ich ihnen in Arbeit“, sagt die Rentnerin. Über die Pflege ihrer Mutter war das Mitglied im Arbeitskreis Asyl mit der WGfS in Kontakt gekommen und fragte dort an, ob Migranten eine Chance auf Ausbildung hätten.
„Bei uns hat jeder eine Chance und Multikulti leben wir schon lange“, sagt WGfS-Chefin Rosemarie Amos-Ziegler, die Interessenten ein paar Tage zur Probe arbeiten lässt. Bei den Flüchtlingen, die Mindestsprachkenntnisse nachweisen müssen (A2-Prüfung), helfen Sozialbetreuer bei arbeitsrechtlichen und verwaltungstechnischen Fragen. Mit Korrich Abdelkader hat die Wohngemeinschaft so gute Erfahrungen, dass dem aktuellen Ausbildungsjahrgang sogar zwei Pakistani und ein weiterer Algerier angehören, die teils noch in der Sammel- oder in Neuhausen in einer Obdachlosenunterkunft wohnen.
Zwei der Flüchtlinge, die zwecks Spracherwerbs alle die Altenpflegehelferausbildung in zwei statt nur in einem Jahr machen, haben sogar einen Ausbildungspaten. Gemeinsam mit Amos-Ziegler suchen sie nun nach Zimmern in einer WG oder einer Wohnung für die neuen Kollegen. Diese besuchen die Berufschule in Nürtingen, die auch Altenpflegeschüler aufnimmt, die fluchtbedingt keine Zeugnisse nachweisen können. Bestehen die Migranten die Helferausbildung mit der Note 2,5 oder besser, können sie ins zweite Jahr zur Altenpfleger-Ausbildung wechseln.
Pflege und Gastronomie sind nur zwei Branchen, in denen Flüchtlinge willkommen sind. Die Deutsche Angestellten Akademie (DAA) im Kreis Esslingen hat aktuell 13 Flüchtlinge direkt in Ausbildung oder in eine maximal einjährige Einstiegsqualifizierung vermittelt. Im Auftrag des Fachkräftebündnisses Kreis Esslingen hatte die DAA als gemeinnütziger Bildungsträger mit 45.000 Euro Spenden von 15 Unternehmen rund 150 Bewerber mit Flüchtlingshintergrund auf ihre Ausbildungsfähigkeit hin gesichtet.
Dazu zählten Sprachstandserhebung, ein Vorstellungsgespräch, Kultur- und Sprachtraining, Infos über das duale Ausbildungswesen und Bewerbungen schreiben. Parallel sichteten die Mitarbeiter den Ausbildungsmarkt, um Angebot und Nachfrage zusammenzubringen. So haben Industriebetriebe nun Azubi zum Maschinen- und Anlagenführer aus diesem Pool und ein Filderstädter Iraner mit technischem Bachelor pendelt täglich zu Festo nach Esslingen, um Fachinformatiker für Systemintegration zu werden. Andere lernen Kfz-Mechatroniker, Optiker oder Einzelhandelskauffrau.
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