Medizin-Magazin „MedWatch“ kämpft gegen betrügerische Heilmethoden im Netz

Wer kennt es nicht: Wenn der Kopf nicht aufhört zu brummen oder die Magenschmerzen immer schlimmer werden, greifen wir immer öfter zum Smartphone und befragen zunächst „Dr. Google“. Häufig stoßen wir dabei allerdings auf verfälschte Informationen zu Heilungsmethoden, fragwürdige Diagnosen und irreführende Aussagen zu den Symptomen.

Gefährlich wird „Dr. Google“ vor allem dann, wenn die versprochenen Heilmethoden gesundheitsschädliche Auswirkungen haben. Gegen dieses Problem möchten die erfahrenen Medizinjournalisten Nicola Kuhrt und Hinnerk Feldwisch-Drentrup aktiv werden. Sie gegründeten die gemeinnützige UG MedWatch, um das Online-Magazin MedWatch betreiben.

Durch gut recherchierte Beiträge möchten die Journalisten verlässliche Gesundheitsnews für alle bieten, derzeit läuft bereits der Testbetrieb in einem Blog. Zudem möchten Feldwisch und Kuhrt mit evidenzbasierten Reportagen, Interviews und Nachrichten zu aktuellen Gesundheitsentwicklungen auf das Problem verfälschter und schlecht recherchierter Medizininformationen im Internet aufmerksam machen.

Unterstützung bekommen Kuhrt und Feldwisch-Dentrup durch die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche und einen Beirat ausgewiesener Experten wie dem Pharmakologen Gerd Glaeske und dem Mediziner und Autor Eckart von Hirschhausen. Um eine Unabhängigkeit des Projekts zu gewährleisten, startete „MedWatch“ im Juni ein Crowdfunding, bei dem der Leser durch eine monatliche finanzielle Unterstützung Teil der MedWatch-Community werden kann.

Im Interview mit Wohnen im Alter verrät Mitgründerin Nicola Kuhrt, was hinter dem Projekt steckt und wie sie und Hinnerk Feldwisch-Drentrup gemeinsam mit der MedWatch-Community gegen haltlose Aussagen im Internet vorgehen möchten.

MedWatch Gründer Hinnerk Feldwisch-Drentrup & Nicola Kuhrt

MedWatch Gründer Hinnerk Feldwisch-Drentrup & Nicola Kuhrt

Interview

Frau Kuhrt, wie kamen Sie auf die Idee, das Magazin MedWatch ins Leben zu rufen?

Mein Kollege Hinnerk Feldwisch-Drentrup und ich sind schon viele Jahre als Medizinjournalisten tätig. Ich schreibe für den Stern, SPIEGEL oder Brand eins. Durch die langjährige Erfahrung in der Recherche merkt man, welche Probleme es im Umgang mit schlechten und gefährlichen Gesundheitsinformationen im Netz gibt. Wenn Meldungen über „Wundermittel“ im Netz gestreut werden, die angeblich gegen Diabetes, Infektionen oder Rheuma helfen, aber die bestellten Ampullen in Wirklichkeit nur Kochsalzlösung enthalten. Wenn Krebs-Therapien ohne Beweise für ihre Wirksamkeit in den sozialen Medien gefeiert werden. Wenn auf Twitter zu Piercing-Partys gegen Kopfschmerzen eingeladen wird oder Kindern ein ätzendes Chlordioxidgemisch verabreicht wird, weil in einer Elterngruppe stand, dies helfe gegen Autismus – dann sind diese „Medizin-Fakes“ eine Gefahr für die Gesundheit.

Faktenchecker versuchen seit Monaten in Deutschland, sich falschen Meldungen in Politik und Gesellschaft entgegen zu stellen. Im Gesundheitsbereich fehlt ein solcher Check – dieser Bereich wird kaum kontrolliert. Wir wollen das ändern.

 

Wie kann man Sie bei dem Crowdfunding und bei dem Aufbau des Magazins MedWatch unterstützen, um diese unabhängige Aufklärung voranzutreiben?

Indem Sie auf unserer Kampagnenseite „Erste Hilfe“ leisten, oder eine „stabile Seitenlage“ auswählen! So heißen unsere Abopakete, sie kosten 5,50 Euro oder 3,50 Euro im Monat, und sind eine Art Abo für MedWatch.

Das Crowdfunding soll uns zukünftig erlauben, das Online-Magazin aufzubauen und dank der Unterstützung von Lesern unabhängig zu arbeiten. Jeder Unterstützer wird Mitglied unserer Community – jeder soll dann auch eigenen Erfahrungen und Ideen mit einbringen, wenn er möchte. Wir wollen in Stammtischen mit den Lesern ins Gespräch kommen, um mehr über deren Wünsche und Ideen für evidenzbasierten Medizinjournalismus zu erfahren.

 

Was genau ist so gefährlich an irreführenden Medizin-Angeboten?

Fast die Hälfte der Menschen in Deutschland, die sich im Jahr 2017 zu Gesundheitsthemen informiert haben, hat dafür das Internet genutzt. Jede 20. Suchanfrage auf der Plattform hat mittlerweile einen gesundheitlichen Hintergrund. Wie eine Umfrage der Bertelsmann Stiftung ergab, sagten über 65 Prozent der Befragten, im Netz seien vertrauenswürdige Informationen schwer zu erkennen. Jeder Zweite war der Ansicht, dass die Informationsfülle und das wachsende Angebot an Gesundheitsinfos Patienten verunsicherten, beunruhigten und verwirrten. Und tatsächlich – auch das zeigten eine Studie – sind eben nicht alle Gesundheitsinformationen gut gemacht und verlässlich.

Immer wieder stößt man zum Beispiel auf Seiten vermeintlicherer Wunderheiler, die behaupten, Krebs oder andere Krankheiten schnell und natürlich besiegen können. Diese Angebote sind nicht immer schnell zu erkennen. Wenn ein erkrankter Mensch diesen unseriösen Angeboten folgt und dafür seine etablierte Therapie plötzlich abbricht, kann dies gesundheitsgefährliche Folgen haben.

 

Geht es Ihnen auch um Falschinformationen und Übertreibungen bei Symptomen wie Kopfschmerzen oder nur um Heilversprechen?

Es geht um jede medizinische Falschinformation im Internet. Die gibt es zu allen Themen, von Kopfschmerzen, über Impfen, Reizdarm oder Krebs. Immer wieder entstehen gesundheitsgefährliche Trends, etwa die Geschichte, Petroleum zu trinken würde gegen Krebs helfen. Das ist natürlich Quatsch. Aber im Internet wurde dieses Thema hochdiskutiert und weiterempfohlen, das sollte so nicht sein.

 

Wie genau möchten Sie gegen unseriösen Heilversprechen wie diese vorgehen?

Wir werden in der Grauzone des Internets nach betrügerischen und unseriösen Heilsversprechen recherchieren. Wir veröffentlichen die Hintergründe auf unserer Homepage. Und wir werden Behörden mit den Fällen konfrontieren, dranbleiben und verfolgen, inwieweit sie eingreifen. Wir wollen die Problematik der verfälschten medizinischen Berichte möglichst vielen Menschen ins Bewusstsein bringen. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg. Wir stehen ja noch ganz am Anfang. Wichtig ist uns vor allem, nah bei den Leuten zu sein, die Community mit einzubeziehen.

 

Konnten Sie bei Ihrer Recherche zu betrügerischen Heilversprechen auch ähnliche Fehler im Bereich der Pflege entdecken?

Ich würde sagen, die Problematik gibt es im Bereich der Pflege genauso. Betroffen sind vor allem Angehörige, die sich informieren möchten und mit verfälschen Informationen im Internet konfrontiert werden. Auch in der Pflege spielen Krankheiten leider häufig eine Rolle. Die Angehörigen möchten sich über die besten Behandlungsmöglichkeiten der Pflegebedürftigen informieren. Nicht immer finden sie leider keine evidenzbasierten Informationen und könnten somit einen falschen Eindruck von der Krankheit erhalten.

 

Möchten Sie Teil der MedWatch-Community werden und gemeinsam mit Nicola Kuhrt und Hinnerk Feldwisch gegen eine falsche medizinische und irreführende Werbung im Internet ankämpfen? Dann spenden Sie jetzt! Bereits ab 3,50 € im Monat sind Sie Teil der Community und profitieren von den gründlichen Recherchen der Wissenschaftsjournalisten. Mehr Infos zum Crowdfunding finden Sie unter medwatch.de/unterstuetzen.

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