IW-Pflegestudie: Hohe Investitionen in Pflegeinfrastruktur notwendig
Großer Bedarf an professioneller Pflege
Pflege-Studien kommen in der Regel zu einem Ergebnis: Die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland wird in den nächsten Jahrzehnten stark steigen. Welche Auswirkungen dieser Anstieg auf die Pflege in Deutschland hat, hängt von den jeweiligen Annahmen der Studie ab. So kommen Pflege-Studien zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen was den zukünftigen Bedarf an Pflegeplätzen und ambulanten Diensten betrifft. Eine aktuelle Studie des Instituts für Deutsche Wirtschaft aus Köln hat nun den Pflege-Bedarf pro Bundesland genauer untersucht. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass eine geeignete Pflegeinfrastruktur in ausreichendem Umfang bereitgestellt werden muss. Bis 2030 müssen bundesweit bis zu 220.000 Plätze allein in der stationären Dauerpflege zusätzlich angeboten werden. Dabei stehen die einzelnen Bundesländer aufgrund ihrer spezifischen Bevölkerungsentwicklung und Ausgangsausstattung vor unterschiedlichen Herausforderungen.
Pflegebedarf nach Bundesland
Bundesweit waren im Jahr 2013 insgesamt 2,6 Millionen Menschen pflegebedürftig im Sinn der gesetzlichen Pflegeversicherung. Hinzu kamen weitere 109.000 Menschen, die nach der aktuellen Rechtslage nicht als pflegebedürftig im engeren Sinn gelten, denen aber eine „erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz“ zugesprochen wird . Diese Gruppe erhält im Status quo ebenfalls Leistungen aus der Pflegeversicherung, wenn auch in einem geringeren Umfang als jene Personen, die nach den Kriterien für die Pflegestufen I bis III vor allem unter körperlichen Beeinträchtigungen leiden. In Zukunft soll ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff den Bedarf der Personen mit eingeschränkter Alltagskompetenz systematisch abbilden. Der Pflegebedarf tritt allerdings regional differenziert auf. Zwar gibt es in bevölkerungsreichen Ländern in der Regel absolut mehr Pflegefälle. Ihr Anteil an der jeweiligen Bevölkerung variiert aber deutlich. Demnach weisen vor allem die ostdeutschen Flächenländer erhöhte Pflegequoten auf.
Auch unter der Annahme, dass die im Zuge einer steigenden Lebenserwartung gewonnenen Lebensjahre gesund verbracht werden. sorgt die zunehmend stärkere Besetzung der älteren Jahrgänge für einen steigenden Pflegebedarf. In der Simulation wird dieser Effekt bereits bis 2030 deutlich spürbar. Relativ zum Ausgangsniveau fällt der Zuwachs in Berlin mit annähernd 38 Prozent und in Brandenburg mit 33 Prozent besonders hoch aus. Das Saarland scheint mit knapp 15 Prozent relativ günstig durch den demografischen Wandel zu steuern. Im Basisszenario liegen die Zuwächse für alle Bundesländer um etwa 5 bis 6,5 Prozentpunkte höher.Auch nach 2030 steigt die Anzahl der Pflegefälle weiter, weil die Mitglieder der geburtenstarken Jahrgänge nach und nach die Altersstufen der Hochbetagten mit besonders hohem Pflegefallrisiko erreichen. Je nach Szenario müssen deshalb bis 2050 über alle Bundesländer verteilt zwischen 1,5 und 1,9 Millionen zusätzliche Pflegefälle versorgt werden.
Bedarf an Pflegeplätzen
Bundesweit ergibt sich bis zum Jahr 2030 ein zusätzlicher Bedarf von 180.000 Betten bis 220.000 Bettern für die stationäre Dauerpflege. Auch hiervon wären die Bundesländer unterschiedlich betroffen: Sachsen-Anhalt müsste im Basisszenario den existierenden Bestand von 2013 bis 2030 um rund die Hälfte erhöhen, das Saarland hingegen lediglich um knapp 9 Prozent, da es über bislang relativ gering ausgelastete Kapazitäten verfügt. Um den Bedarf an Pflegeheimplätzen künftig decken zu können, sind über den Aufbau zusätzlicher Kapazitäten hinaus auch bestandserhaltende Investitionen erforderlich.
Bedarf in der ambulanten Versorgung
Über den Bedarf an Infrastruktur, der in der ambulanten Pflege entstehen wird, herrscht noch große Unsicherheit. Einerseits benötigen die ambulanten Pflegeeinrichtungen Ausstattung und Personal. Andererseits muss auch das private Wohnumfeld adäquat ausgerüstet werden. Die Datenlage hierzu ist unzureichend. Immerhin lässt sich der künftige Personalbedarf für die ambulante Versorgung simulieren, sodass der Bedarf an zusätzlichen Kapazitäten zumindest in der Tendenz erkennbar wird.
Bundesländer sind gefordert
Die Bevölkerungsalterung lässt einen starken Anstieg der Pflegefallzahlen erwarten, verbunden mit einem erhöhten Bedarf an Pflegeinfrastruktur. Der Zuwachs erfolgt stetig –bis 2030 müssen deutschlandweit zusätzlich jedes Jahr zwischen gut 10.000 und 13.000 Pflegeheimplätze in der Dauerpflege bereitgestellt werden. Vor diesem Hintergrund gilt es, die Weichen frühzeitig richtig zu stellen, denn der notwendige Ausbau der Infrastruktur benötigt Zeit. Hier sind die Bundesländer gefordert, die notwendigen Rahmenbedingungen zu setzen, damit sich das unternehmerische Wagnis auch in Zukunft lohnt. Es müssen sich nicht nur Kapitalgeber, sondern auch Personen in der Altenpflege engagieren. In einigen Ländern werden die Anreize allerdings zugunsten der ambulanten Pflege und auf Kosten der stationären Pflege gestärkt. Damit wird die Hoffnung auf eine kostengünstigere Versorgung verbunden. Gleichzeitig scheint es dem Wunsch vieler Menschen zu entsprechen, im Pflegefall in den eigenen vier Wänden versorgt zu werden. Diese Überlegung kann aber in die Irre führen: Zum einen ist nicht sichergestellt, dass der informelle Pflegesektor auch in Zukunft im gleichen Ausmaß zur Versorgung beitragen wird. Auch in den ambulant betreuten Wohngruppen kann der Pflegebedarf kaum ohne informelle Pflege aufgefangen werden. Zum anderen ist offen, wie sich ein geringerer Fachkräfte-Personalschlüssel in ambulanten Einrichtungen für schwere Pflegefälle auswirken wird.
Die Politik sollte deshalb keine Versorgungsart bevorzugen. Stattdessen sollten die Länder ihre Gesetze so gestalten, dass sich Investitionen in alle Versorgungsarten gleichermaßen lohnen. Z Die Bundesländer sind daher gefordert, ihre Pflegepolitik auf den Prüfstand zu stellen.
Die ausführliche Pflegestudie finden Sie auf den Seiten des IW
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