Tönebön am See: Erstes „Demenzdorf“ Deutschlands in Hameln eröffnet

Das alternative Pflege-Konzept Demenzdorf ist unter Experten nicht unumstritten. Dennoch entstehen in Deutschland immer mehr Objekte nach dem Vorbild des holländischen Demenzdorfes De Hogeweyk. Nachdem die Eröffnung des Demenzdorf-Projekt in Alzey aufgrund einer rechtlichen Prüfung nicht abzusehen ist, hat in Hameln das erste Wohnprojekt unter der Bezeichnung „Demenzdorf“ eröffnet. Dabei unterscheidet sich das am 18. März eröffnete „Tönebön am See“ stark von dem bekanntesten Demenzdorf in Holland „De Hogeweyk“.

Das „Tönebön am See“ ist zwar von einem Zaun umgeben, aber nicht wie ein klassisches Demenzdorf eine geschlossene Einrichtung mit eigener Welt. Im De Hogeweyk gibt es ein eigenes Theater,  Frisöre, Bushaltestelle und Geschäfte. Diese Infrastruktur bietet den Eindruck einer kleinen in sich geschlossenen Welt, in der sogar Lebensstile wie Arbeiterklasse oder Oberschicht abgebildet werden.

Diese geschlossene Welt soll den Demenzkranken Geborgenheit vermitteln, wird aber von Kritikern auch kritisiert, da diese geschlossene Welt nur „Schein“ ist und Demenzkranke ausgegrenzt werden.

Vier Häuser mit Demenz-Wohngruppen

Das Tönebön am See unterscheidet sich vom Demenzdorf „De Hogeweyk“ oder anderen geplanten Projekten bereits in seiner baulichen Struktur. Das neueste Projekt der Julius Tönebön Stiftung in Hameln besteht aus vier Häusern, alle in unterschiedlichen Farben gestaltet, welche Platz für 52 Bewohner bieten. In Wohnküchen und individuell gestalteten Einzelzimmern mit angrenzendem Bad „sollen sich die Menschen wie zuhause fühlen“. Dort leben die Bewohner in Hausgemeinschafts-Konzepten und sollen in die täglichen Aufgaben einbezogen werden.

Die Pflegekräfte sind im Haupthaus stationiert und 24 Stunden im Einsatz. Für die Betreuung der Bewohner sind vor allem Alltagsbegleiter vorgesehen. Jeweils drei stehen pro Haus zur Verfügung. Für das besondere Konzept von Tönebön am See müssen Demenzkranke allerdings etwas tiefer in die Tasche greifen als bei anderen Heimen. So betragen die Investitionskosten 20,65 Euro am Tag. Angesichts einer unzureichenden Leistung der Pflegekasse bei stationärer Unterbringung von Demenzkranken werden sich dieses Angebot leider nur wenige leisten können. (Mehr Informationen zur Finanzierung der Betreuung von Demenzkranken im Ratgeber Demenz) .

Wirklich ein Demenzdorf?

Unter großem medialen Interesse wurde das „Tönebön am See“ eröffnet. Viele Fernsehsender berichteten über die Eröffnung. „Wir können hier sehen, wie Pflege im 21. Jahrhundert funktioniert“, sagt die Verwaltungschefin des Projektes, die froh ist, so ein „großartiges Projekt in Hameln zu haben. Es ist ein großer Tag für die Stadt.“ Die Bewohner sollen laut Aussage des Betreibers nicht „abgeschoben“ oder „ausgegrenzt“ werden, sondern weiter am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. „Wir wollen dem Alltag so viel Normalität wie möglich geben“, betont Dieter Joschko, Vorsitzender des Stiftungskuratoriums. Was und wann sie essen möchten, bestimmen die Bewohner zum Beispiel selbst. Die Kühlschranktür stehe jedem jederzeit offen. „Wer mag, kann sich morgens einen Kaffee kochen oder einen Joghurt nehmen“, erklärt Regine Latzko. „Stationär voll versorgt und trotzdem selbstbestimmt“, fasst Ministerin Rundt das Konzept zusammen. Und das sei, wie Regine Latzko betont, „sehr personalintensiv“. Inwiefern das Projekt wirklich ein „Demenzdorf“ ist, bleibt dahingestellt.

Die Nachfrage nach alternativen Modellen der Betreuung bei Demenz ist sehr groß. Wobei das Modell welches im Tönebön am See nicht neu ist. Viele Pflegeheime und Residenzen haben seit Jahren deutschlandweit Wohngruppen mit Demenz integriert, die nach dem selben Betreuungskonzept funktionieren. Auch gibt es immer mehr Demenz-WGs, die eine angepasste Betreuung bieten.

Mehr Informationen zu diesem Thema:

Alexander Keller

Ehemaliger Chefredakteur vom Wohnen im Alter Magazin.

11 Antworten

  1. S. Wiemer sagt:

    Die Idee eines Demenzdorfes finde ich gut, vor allem wenn ausreichendes Betreuungspersonal vorhanden ist. Was spricht dagegen, wenn sich Demenzkranke in einem geschützten Bereich auch außerhalb der Wohnung frei bewegen können?
    Besuche von Freunden und Familie, oder Ausflüge in eine Stadt oder anderes ist weiter möglich.
    Das Argument, dass das Leben wie in einem Getto wäre, ist in meinen Augen doch fadenscheinig, wenn man bedenkt welche Bewegungsmöglichkeiten Demenzkranke in Pflegeheimen haben. Dort sind sie doch wesentlich eingeschränkter. Ob das Leben echt ist oder nicht ist auch so eine Frage, was kann weniger echt sein als ein Geschäft, ein Cafe, ein Frisör zu dem ich selbstständig hingehen kann, wenn ich es möchte.

  2. Waltraud Mahl sagt:

    Vor kurzen las ich Ihren Artikel.
    Ich glaube an Tönebön am See,
    und habe gelesen vieviel Personal in dieser Eionrichtug
    beschäftigt ist , da denke ich , dass viel Zeit für die Bewohner da ist !
    Ich bin als Beschäftigungskraft in der Einzelterpie und Gruppentherapie für Demente und Alzheimer
    noch tätig.Habe als gelernte Altenpflegerin alle Fortbildungen
    im Validieren gerne und erfolgreich besucht.
    Meine Erfahrungen sind die ,wenn alle auch alle sich einig sind und nach dem vorgegebenen Konzept arbeiten.Dann muß es klappen ,trotz Unkenrufe.
    Ich stand oft als Aussenseiterin da.Ich bin 26 Jahre beim DRK tätig.
    Werde 75 Jahre
    Waltraud M.

  3. Kalender-Uhrzeit.de sagt:

    Hmmm,

    das Thema ist tatsächlich schwierig. Als ich damals von dem niederländischen Demenzdorf hörte, war ich in erster Linie begeistert von der Idee: Es schien mir, dass die Bewohner des Dorfes nicht mehr so stark unter den Auswirkungen ihrer Erkrankung litten, wie sie es in der realen Welt tun würden: Sie müssen keine Belehrungen mehr über sich ergehen lassen, dass man dies oder jenes doch eigentlich so der anders macht.

    Andererseits kam mir genauso schnell der Gedanke, dass man diesen Menschen doch eigentlich permanent etwas vormacht. Was geschieht in „lichten Momenten“? Erkennen die Patienten dann die Farce des Ganzen und fallen in ein seelisches Loch?

    Das hier beschriebene Projekt scheint mir eine ganz gute Mischform zu sein. Man gaukelt den Patienten nicht eine komplett andere Welt vor, macht ihnen das Leben jedoch so angenehm wie möglich. Zumindest erscheint es mir so – als gesunder Mensch kann man das Thema ja eh nur von „außen“ betrachten.

    Mit Isolation hat das Projekt in meinen Augen übrigens überhaupt nichts zu tun. Es lässt sich nun einmal nicht leugnen, dass bestimmte Personengruppen eine bestimmte Betreuung brauchen. Das gilt für Demenzkranke, die eine entsprechende Wohnsituation benötigen genauso wie beispielsweise für Kinder, die tagsüber in einer Kindertagesstätte untergebracht sind, die ebenso auf deren Bedürfnisse zugeschnitten ist. In letzterem Fall würde doch auch keiner von „Isolation“ sprechen, nur weil die Kindertagesstätte in einer ruhigen Wohngegend mit Zugang zu einem kleinen Wäldchen gelegen ist – und nicht mitten in der City.

    • Diakonische Hilfe sagt:

      Im Kindergarten erwarten wir für den Außenbereich eine Abzäunung, damit die leiben Kleinen nicht „entwischen“ und sich in Gefahr bringen. Das gleiche bei demenziell erkrankten Personen wird dann Freiheitsberaubung genannt. Meine langjährige Erfahrung mit dementiell erkrankten Menschen hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, dass diese Menschen einen Raum haben, in dem sie sich noch relativ schnell eingewöhnen können. Ein Supermarkt gehört definitiv nicht mehr dazu. Also einen kleinen Kaufmannsladen für die Dinge, die sie selber kaufen müssen (Süßes, Hygieneartikel, Zeitschriften usw.) und auch nur noch brauchen. Im Vergleich zu einem Pflegeheim haben sie im Demenzdorf viel mehr Freiraum und Bewegungsfreiheit.

  4. gerber sagt:

    hier ist nicht zu scherzen.morgen schon bist du selbst dabei.Stellt man Frage zu den Kosten/monatl. so sind sie nicht greifbar, so lange bis man hinter den Zaeunen leben muss, ohne Pass und ohne Verstaendnis. Demenz ist nicht heilbares schleicht daher und zerstoert den Koerper.

  5. Wir sind Altenpflege sagt:

    Demenzdorf OHNE Dorf

    Einrichtungen auf der „grünen Wiese“ halten wir für sehr schwierig. Bei Menschen mit Behinderung sprechen wir Gott sei Dank über Inklusion und wenn Sie durch Alter eine Behinderung erfahren, packen wir sie weg?
    Auf der einen Seite überlegen wir wirklich offene Einrichtungen als Quartierkonzepte und auf der andern bauen wir segregative Häuser?
    Mir stellt sich z.B. die Frage wann man denn da einziehen soll?

    Übrigens – sehr schön finden es wie mir scheint nur die, die dort nicht leben müssen – ich hätte keine Lust mich mit einem kleinen Kaufmannsladen abspeißen zu lassen. Warum triffft man nicht eine Vereinbarung mit dem EDEKA gegenüber und ermöglicht einen „regulären“ Einkauf?
    Ach ja – den gibt es da ja nicht… Das Demenzdorf steht da ja ohne Dorf…

    • D. Amir sagt:

      Mir fällt auf das hier immer wieder von offenen Häusern gesprochen wird, von Einkaufen im nahen Supermarkt. Das die Betroffenen dazu meist gar nicht mehr in der Lage sind und einfach nicht mehr zurückfinden selbst wenn Sie nur 2 Strassen weiter gelaufen sind (noch nicht einmal in der Absicht nach Hause zu gehen, sondern einen Spaziergang zu machen) und dann oft bei der Polizei landen weil diese dann auf die verwirrte Person aufmerksam werden.
      Darf ich darum eine Bitte äußern! Betreuen Sie über einen längeren Zeitraum mal Menschen mit Demenz. Vielleicht ändern Sie ja dann Ihre Meinung.

  6. Irmi Zeyen sagt:

    Hallo, können sie. Ihr sagen welche Kosten auf mich zu kommen würde.

    • Alexander Keller sagt:

      Hallo Frau Zeyen,

      leider ist uns über die Kosten nichts bekannt. Bitte kontaktieren Sie doch direkt das Tönebonn am See: 05151 / 78104-0

    • Neckargemünd sagt:

      Wünsche jeden kraft in dieser zeit.
      Das überforderung uns in dieser zeit heimsucht.Also dann mit Gottes gnaden uns liebe wiederfährt,im namen Jesus unser Christus

  7. Irene Stuber sagt:

    Wie ich finde eine vorbildliche Einrichtung – die wir uns zeitnah persönlich ansehen wollen .

    Die Wertschätzung und das Verständnis für die Welt der Demenz ist in unserer Gesellschaft leider noch so gut wie nicht angekommen.

    sehr sehr gerne empfehlen wir ein Haus wie dieses auch Kunden die sich entscheiden doch nicht zu Hause sondern Ihren Lebensabend in einer Einrichtung zu verleben

    wir bieten äußerst geprüfte und individuelle häusliche 24 Stunden Betreuung im eigenem Zu Hause.

    und ich freue mich den Menschen von einer besonderen Einrichtung wie Ihrer berichten zu können .- Die es ja sonst bisher nur in der Schweiz oder im fernen Ausland gibt

    Ich hoffe sehr das Sie der VORREITER sind – und der Pflege- Standart – die Menschen bei uns begreifen das Dement NICHTS MIT DUMM und UNBRAUCHBAR zu tun hat .

    Alle Achtung und herzlichste Grüße aus München
    Irene Stuber

    herzundandmünchen

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