Fünf Pflegegrade: Abschaffung der Pflegestufen

Pflegereform: Erprobungsphase für neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff

Seit 2009 liegt das Konzept eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und einer Reform der Pflegestufen vor. Am 08. April 2014 hat der neue Gesundheitsminister Gröhe nun zwei Modellprojekten zugestimmt, in welchen diese neuen Konzepte erprobt werden. Seit dem Start der Pflegeversicherung 1995 standen der Begriff der Pflegebedürftigkeit und das System der Pflegestufen in der Kritik. Der Pflegebedürftigkeitsbegriff orientiere sich nur an der körperlichen Einschränkung und ignoriere Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz (z.B. Demenz). Die zeitbezogenen Pflegestufen führe zur Minuten-Pflege und sind defizit- statt teilhabe-orientiert. Das System der Pflegestufen hat zur „Satt-und-Sauber-Pflege“ geführt, welche die Betreuung und der Erhalt der Eigenständigkeit des Pflegebedürftigen vernachlässigt. Zwar gab es leichte Anpassungen, wie die Pflegestufe 0 und das Pflegeneuausrichtungsgesetz, eine deutliche Verbesserung der Pflegebedürftigen wurde aus Kostengründen bisher aufgeschoben. Dies soll sich durch den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff und die 5 Pflegegrade ändern.

Was sind die fünf neuen Pflegegrade?

Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff soll sich nicht mehr nach dem minütlichen Pflegeaufwand orientieren. Maßstab soll in Zukunft der Grad der Selbständigkeit sein. Dieser soll durch sechs festgelegte Kriterien, denen jeweils ein fester Punktwert zugeordnet ist, bestimmt werden. Im neuen Begutachtungs-System werden je nach Schwere der Beeinträchtigung Punkte vergeben. Mit ihnen wird dann anhand einer Skala von 0 bis 100 der Pflegegrad ermittelt. Je nach Punkten wird der Pflegebedürftige in eine der fünf Pflegegrade eingeteilt. Die mögliche Leistungshöhe der fünf Pflegegrade ist noch nicht bekannt. Durch die Umstellung soll niemand schlechter gestellt werden, als vorher. Die Pflegebedürftigen, die bereits eine Pflegestufe haben, werden automatisch und ohne Antrag in einen neuen Pflegegrad eingestuft:

  • Pflegestufe 0 = Pflegegrad 1
  • Pflegestufe 1 = Pflegegrad 2
  • Pflegestufe 1 + Eingeschränkte Alltagskommpetenz = Pflegegrad 3
  • Pflegestufe 2 = Pflegegrad 3
  • Pflegestufe 2 + Eingeschränkte Alltagskommpetenz = Pflegegrad 4
  • Pflegestufe 3 = Pflegegrad 4
  • Pflegestufe 3 + Eingeschränkte Alltagskommpetenz = Pflegegrad 5
  • Härtefall = Pflegegrad 5

Erprobungsphase bis 2015

Das neue Begutachtungsverfahren soll nun in zwei Modellprojekten auf seine Alltagstauglichkeit und Wirkung getestet werden. Dazu werden zunächst Gutachterinnen und Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) geschult. Ab dem Sommer 2014 werden sie in allen Bundesländern insgesamt rund 4000 Begutachtungen durchführen. In der ersten Studie geht es um die Praktikabilität des neuen Begutachtungsverfahrens. In allen Bundesländern werden insgesamt rund 2.000 Begutachtungen in Pflegeeinrichtungen und bei der Pflege zu Hause vorgenommen. Begutachtet wird nach den alten und neuen Regeln. Ziel ist ein repräsentatives Abbild des Begutachtungsgeschehens zu gewinnen, Fragen zur Gestaltung des Umsetzungsprozesses und zur Akzeptanz bei den Versicherten zu beantworten und aktuelle Erkenntnisse über die Verteilung der Pflegebedürftigen in den neuen Pflegegrade zu erhalten. Die Studie wird vom Medizinischen Dienst des GKV-Spitzenverbandes koordiniert und von der Hochschule für Gesundheit in Bochum wissenschaftlich begleitet und ausgewertet. Im Rahmen einer zweiten Studie soll ermittelt werden, welchen Versorgungsaufwand die neuen Pflegegrade in stationären Pflegeeinrichtungen auslösen. Begutachtet werden ca. 2.000 Pflegebedürftige aus rund 40 Pflegeheimen in verschiedenen Bundesländern. Dazu wird jeweils erhoben, welcher zeitliche Aufwand mit der Erbringung der konkreten Pflegeleistungen verbunden ist. Die Studie wird von der Universität Bremen durchgeführt.

Inflationsausgleich für Pflegestufen ab 2015

Ab 2015 sollen die Leistungen der Pflegekasse als Inflationsausgleich um 4 Prozent erhöht werden. Bei stationärer Pflege in der Pflegestufe I erhalten Heimbewohner künftig 1064 statt 1023 Euro pro Monat. In den Stufen II und III steigen die Leistungen auf 1330 und 1612 Euro statt bisher 1279 beziehungsweise 1550 Euro. Wer als Härtefall anerkannt ist, erhält 1995 statt 1918 Euro. In der ambulanten Pflege steigen die Sätze von 450 auf 468 Euro (Stufe I), von 1100 auf 1144 (Stufe II) und von 1550 auf 1612 Euro (Stufe III). Entsprechend erhöht sich das Pflegegeld für pflegende Angehörige oder Freunde auf 244, 458 und 728 Euro. Künftig wird die Höhe der Pflegeleistungen alle drei Jahre überprüft und gegebenenfalls an die Preisentwicklung angepasst. Die nächste Erhöhung erfolgt somit frühestens 2018.

Finanzierung der Pflegereform

Das neue Verfahren soll laut CDU-Minister Hermann Gröhe 2017 greifen. Rund 2,4 Milliarden Euro mehr pro Jahr sollen aus der Pflegekasse dafür bereitgestellt werden. Der Pflegebeitrag soll dafür um 0,2 Punkte angehoben werden. Mehr als eine Milliarde Euro pro Jahr sollen ab 2015 in den geplanten Vorsorgefond für später steigenden Bedarf an Altenpflege fließen. Das sieht ein Referentenentwurf zur Pflegereform aus dem Bundesgesundheitsministerium. Der Fonds soll innerhalb von rund 20 Jahren anwachsen. Geplant ist, dass der Aufbau des Sondervermögens mit der Zahlung für das erste Quartal 2015 beginnt und mit der Zahlung für das Jahr 2033 endet.

Ausführliche Informationen:

Begriff der Pflegebedürftigkeit
Die drei Pflegestufen
Abschlussbericht des BMG zum neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff
Informationen zu den fünf Pflegegraden

Bild: Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe und Frau Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes Quelle: BMG/Paulsen

Alexander Keller

Ehemaliger Chefredakteur vom Wohnen im Alter Magazin.

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