Umstritten: Migranten in der Pflege

Die Caritas setzt auf Inder, der Wirtschaftsbund auf Philippinos und das Sozialministerium auf Chinesen, um den Fachkräftemangel in der Pflege zu beheben. Doch in der Branche ist das Echo geteilt über die unterschiedlichen Ethnien.

„Alle Spanierinnen, die wir hatten, haben uns wieder verlassen“, sagt Rosemarie Amos-Ziegler auf Nachfrage unseres Online-Magazins Die Pflegebibel. Die Betreiberin der Wohngemeinschaft für Senioren (WGfS), mit ihren 200 Mitarbeitern für 135 Bewohner, glaubt den Grund zu kennen: Die iberischen Pflegekräfte waren in Spanien examinierte Krankenschwestern, denen der pflegerische Aufwand zu hoch war. Denn statt Spritzen setzen bei mündigen Patienten gehört zum Pflegealltag der Wechsel der Inkontinenzhilfen bei dementen Bewohnern.

Auch Gregor Vogelmann, Pflegeheim-Berater und -Zertifizierer aus Harthausen, sieht den Pflegekräfte-Import kritisch. So seien Asiaten oft schon körperlich nicht dafür geschaffen, Mitteleuropäer dutzende Male am Tag aus dem Bett oder von der Toilette zu hieven. „Es ist auch eine ethische Frage, ob eine Nation ihre Pflegebedürftigen selbst versorgt und hierfür die erforderlichen Voraussetzungen schafft“, sagt der Geschäftsführer des Instituts für Qualitätskennzeichnung von sozialen Dienstleistungen (IQD).

Bei der Einkaufskooperative Wirtschaftsbund sozialer Dienstleistungen (Wibu), die bundesweit für Pflegeheime arbeitet, und vorigen Oktober nach München die ersten 20 Philippinas vermittelt hatte, sieht man dies anders: 200.000 examinierte Pflegefachkräfte seien dort arbeitslos und jährlich schlössen 40.000 weitere die vierjährige Ausbildung ab. In den USA, Kanada, England und neuerdings in der Schweiz habe man gute Erfahrungen mit diesen Fachkräften.

Um als Pflegefachkraft arbeiten zu dürfen, brauchen Mitarbeiter, die ihr Examen im Ausland gemacht haben, den sogenannten B2-Abschluss des Goethe-Instituts, der bestätigt, dass die Person in Wort und Schrift ihr Fachwissen auf Deutsch vermitteln kann. Diesen Nachweis erbringen alle Auslands-Pflegekräfte, die hierher vermittelt werden.

Klaus Vaas hält von eindimensionalen Lösungen nichts. Der Direktor des Kursana Domizils in Echterdingen setzt auf gemischte Ethnien in seinem Haus, „um Gruppenbildung zu vermeiden und Integration zu fördern“. Er sei mit einigen Vermittlern in Kontakt, stelle aber immer nur Einzelne ein. Das erhöhe zwar deren Heimwehrisiko, begünstige aber den Spracherwerb.

Anbieter wie die WGfS, die Rumäninnen oder Polinnen beschäftigen, die in ihren Herkunftsländern Krankenschwester oder Altenpflegerin gelernt haben, stellen diese Mitarbeiterinnen meist als Helferinnen ein und fördern dann deren Sprachkompetenz. „Wir haben viele Mitarbeiter, die an der Volkshochschule oder am Goethe-Institut auf die B2-Prüfung lernen“, sagt Amos-Ziegler.

Im beruflichen Alltag trainieren die Helferinnen fast minütlich die deutsche Sprache und im Umgang mit Bewohnern, Kollegen und Vorgesetzten verinnerlichen sie die mitteleuropäische Kultur. „In den Teams herrscht eine hohe Akzeptanz, Migranten geduldig zu integrieren“, sagt Vaas. Denn viele Mitarbeiter waren nur wenige Jahre zuvor selbst auf dieses Wohlwollen angewiesen, weil sie aus derselben Situation kamen. Und: Die Mitarbeiter wissen, dass diese emotionale Investition sie später durch eine versierte Kollegin entlastet.

Dass Migranten auch in Führungspositionen hineinwachsen, belegen viele Beispiele: Amos-Zieglers Stellvertreterin ist eine gebürtige Rumänin, die als Siebenjährige mit ihren Eltern nach Deutschland kam. Und die Leiterin des ambulanten Dienstes hatte in Rumänien eine kaufmännische Ausbildung gemacht und nach ihrer Übersiedelung bei der WGfS zunächst eine Ausbildung zur Altenpflegerin gemacht. Aktuell fördert das Haus eine Griechin, die im Heimatland Buchhalterin gelernt hatte. Sie soll Pflegedienstleiterin werden, wenn sie alle Qualifikationen absolviert hat.

Wichtig, so das Fazit der Recherche, sind die Motivation des Einzelnen und die Achtsamkeit der Vorgesetzten, einzelne Schritte statt des fernen Ziels aufzuzeigen und praktische Hilfen zu leisten. Das reicht von der individuellen bis zur finanziellen Förderung. Lohn dieser Mühen: Über die ethnischen Netzwerke rekrutieren diese Mitarbeiter aus ihrem sozialen Umfeld immer wieder neue Bewerber.

 

 

Michael Sudahl

Michael Sudahl ist freier Journalist in Schorndorf

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