Pflege in Deutschland ist Frauensache – aber warum?

In Deutschland gibt es 3,4 Millionen Pflegebedürftige, die in 14.500 Pflegeheimen durch 14.100 ambulante Pflegedienste oder durch unbezahlte Angehörige – meist Frauen – umsorgt werden.

Allgemein sind laut statistischem Bundesamt von den 5,7 Millionen Menschen, welche im Gesundheitswesen tätig sind, 75,6 % Frauen. Das Pflege in Deutschland Frauensache ist, wird also von den Zahlen bestätigt. Aber warum ist das so? Und was können Männer tun?

Pflege in Deutschland ist Frauensache – aber warum? | Quelle: https://www.mein-pflegejob.de/blog/
Pflege in Deutschland ist Frauensache – aber warum? | Quelle: pexels.com – Robert Stokoe

Die Stereotypen

Wir alle kennen Klischees und haben Meinungen zu Frauen in der Pflege: Frauen haben einen Mutterinstinkt, wollen pflegen, helfen und sich kümmern; sie haben mehr Einfühlungsvermögen – es macht sie glücklich für andere zu sorgen, und so weiter.

Doch Pflegearbeit ist körperlich anstrengend. Patient*innen zu heben, zu tragen, möglichst viele in geringer Zeit zu pflegen und dabei alle Aufgaben organisatorisch zu meistern, das bedarf mehr als nur Empathie gegenüber Pflegebedürftigen. Logisch denken und schwer anpacken, das ist doch (in der Welt der Stereotypen) Männersache. Wieso fehlt es in der Pflege dann an Männern?

 

Das Geld

Auf dem Arbeitsmarkt existieren Männer- und Frauendomänen, und vor allem da wo Frauen arbeiten, wird schlechter bezahlt. Berufe wie Kellner, Friseur, Pfleger, Verkäufer oder Grundschullehrer, welche früher hauptsächlich von Männern getätigt wurden, verlieren heutzutage immer mehr an Ansehen, sobald die Branche weiblicher wird. „In all diesen Fällen kam es vor oder während der Feminisierung zu einem teils erheblichen Statusverlust dieser Berufe, Berufsbereiche oder Branchen“, so die Soziologin Angelika Wetterer.

Wenn eine Branche weiblicher wird, sinkt oft der durchschnittliche Verdienst – ab 60% Frauenanteil leiden die Gehälter

Auf Dauer bringt die Feminisierung also eine schlechtere Bezahlung mit sich. Die Sozialwissenschaftler Daniel Oesch und Emily Murphy hatten untersucht, wie sich die Gehälter von Beschäftigten in Deutschland, Großbritannien und der Schweiz entwickelten, die in einem weiblicher werdenden Beruf tätig waren. Das Ergebnis: Sobald in einem Beruf mehr als 60 Prozent Frauen arbeiten, kommt es zu Gehaltseinbußen. Allerdings, wie die Soziologinnen Corinna Kleinert, Kathrin Leuze und Ann-Christin Hausmann rausfanden, nur für Frauen.

Zwar geht das Lohnniveau in einem Beruf tatsächlich um 1% zurück, wenn der Frauenanteil im Vorjahr um 10% gestiegen ist – doch die Gehälter sinken nicht für beide Geschlechter. Der steigende Frauenanteil drückt den Durchschnittslohn, weil Frauen ihre schlechteren Gehälter mit in den Beruf bringen.

Bei Männern in derselben Branche sinken die Gehälter nicht. Hier spricht man von dem altbekannten Effekt des Gender Pay Gap, welcher in Deutschland aktuell bei 21% weniger Stundenlohn für Frauen liegt.

Der umgekehrte Effekt existiert ebenfalls: Wenn eine Branche männlicher wird, steigt dort auch das Gehalt.

Frauenberufe hatten nie eine starke Lobby

Doch es gibt auch frauendominierte Berufe, wo nicht nur Frauen, sondern auch Männer schlecht verdienen: Pflegeberufe. Das diese immer schon schlecht bezahlt wurden, ist kein Geheimnis mehr. Beispielsweise verdienen Examinierte Altenpfleger*innen monatlich ca. 2.000€ in einer Vollzeitstelle. Viele Frauen und vor allem Mütter arbeiten allerdings in einer Teilzeitstelle – ihr Einkommen ist also deutlich weniger.

Für die Arbeit im Haushalt oder die Pflege von Verwandten werden sie nicht bezahlt. Zudem genießt die Arbeit in der Pflege kaum Ansehen und Aufstiegsmöglichkeiten sind nie bis kaum gegeben. „Das liegt auch daran, dass viele klassische Frauenberufe nie auf eine Karriere ausgelegt waren, sondern die Frauen zu der Zeit, als die Berufe entstanden, mit der Geburt des ersten Kindes aus dem Arbeitsleben ausstiegen“, erklärt die Soziologin Corinna Kleinert. 

Viele Männer in Deutschland entscheiden sich demnach für attraktivere Berufe und Karrieren.

Einen interessanten Auszug zum Thema „Krankenpflege als Frauenberuf“ von Claudia Bischoff gibt es hier.

 

Was kann Man(n) tun?

Um das Problem mit der ungleichen Bezahlung zu beheben, fordern viele Soziologinnen und Soziologen, bei den klassischen Frauenberufen wie der Pflege anzusetzen und diese besser zu bezahlen. Davon würden auch die Ingenieurinnen und Bürokauffrauen profitieren, die schlechter bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen, glaubt Ute Klammer: „Werden Frauenberufe fair entlohnt, kann davon ein Signal für andere Branchen ausgehen, Frauen im Beruf generell aufzuwerten.“

Da die Gesellschaft immer älter wird, kann das jetzige System auf lange Sicht nicht mehr funktionieren und immer mehr Menschen werden in den Pflegeberufen benötigt – vor allem auch Männer.

Und tatsächlich, laut Statistischem Bundesamt tut sich was in der Gesellschaft: der Männeranteil ist in den letzten 10 Jahren gestiegen, 2009 lag der Anteil noch bei 19 %. Zehn Jahre später liegt der Männeranteil im Jahr 2019 bei 25 %.

Doch die Männer, die bereits in der Pflege tätig sind, werden fälschlicherweise für ihre „weibliche“ Arbeit aufgezogen. Dabei zeigen sie wahre Stärke und Männlichkeit, indem sie gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und sich nicht um Geschlechterklischees kümmern, sondern um Menschen.

Wir wissen, dass das Interesse an Pflegeberufen (langsam) steigt. Wenn demnach mehr Männer in Pflegeberufe umsteigen, werden diese auch attraktiver gemacht – was wiederum mehr Männer motiviert einen Job in der Pflege anzugehen.

Man(n) kann also dazu beitragen, dass Klischees über die Pflege verschwinden. Denn Pflege hat kein Geschlecht, sie ist menschlich.

2 Antworten

  1. Alex Finsterbusch sagt:

    Als jemand, der in der Pflegebranche tätig ist, finde ich diesen Artikel sehr aufschlussreich. Es ist ermutigend zu sehen, dass der Männeranteil in den letzten 10 Jahren gestiegen ist, aber es bleibt noch viel zu tun, um Stereotypen zu überwinden und eine gerechte Bezahlung zu erreichen.

  2. meier sagt:

    guter artikel ihr lustigen

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