Pflege Jahresrückblick 2013: Die Pflege am Boden?

Das Jahr 2013 wurde in der Pflege  vor allem durch neue Gesetze, gute und schlechte Zahlen, dem Bundeswahlkampf und von Protesten geprägt. Was in der Pflege sonst noch passiert ist, erfahren Sie in unserem Jahresrückblick Pflege 2013:

Januar: Mehr Geld für Demenzkranke

Das Pflegejahr 2013 nahm im Januar seinen Auftakt mit dem in Kraft treten des Pflege-Neuausrichtungsgesetz (PNG). Die neuste Pflegereform enthält Bestimmungen von der Anhebung des Beitragssatzes zur sozialen Pflegeversicherung bis hin zur Stärkung der Rechte Pflegebedürftiger. Im Fokus stehen außerdem Leistungsverbesserungen für Demenzkranke, die jedoch bereits zu Beginn heftiger Kritik ausgesetzt wurden, da sie immer noch weiter hinter dem eigentlichen Bedarf liegen. Ebenfalls in Kraft trat die Förderung der privaten Pflege-Vorsorge der sogenannte Pflege-Bahr.  Alternative Wohnformen – wie Senioren-WGs – erhalten dank des Pflege-Neuausrichtungsgesetzes bei Gründung einen Zuschuss von bis zu 2.500 Euro pro Bewohner.

Februar: Neue Zahlen zum Pflegenotstand

Im Februar veröffentlichte die Bundesagentur für Arbeit alarmierende Zahlen zum Fachkräftemangel in der Pflege. In der Studie prognostiziert eine dreifache Bedarfssteigerung, die in Deutschland zu 14.000 unbesetzten Stellen in der Pflege führen wird. Um den Pflegenotstand abzuwenden, gilt es das inländische Potential nachhaltiger zu fördern und zugleich die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte zu vereinfachen.
Kritische Zahlen veröffentlichten im Februar auch die Verbraucherzentralen ausgewählter Städte. Getestet wurden die Menüs verschiedener „Essen auf Räder“ Anbieter, ein Service, der sehr häufig von Senioren in Anspruch genommen wird. Die Ergebnisse zeigen, es könnte besser sein. In vielen Fällen standen zu wenig frisches Obst und Gemüse und zu viel Fleisch auf der Speisekarte. Unzureichende Nährstoffangaben erschwerten zudem die gesundheitsbewusste Ernährung.

März: Volle Pflegekassen und hohe Fluktuation

Der Frühjahresbeginn startete mit einer äußerst erfreulichen Nachricht: finanziell steht es um die sozialen Pflegeversicherungen so gut wie schon lange nicht mehr. Im Vorjahr konnten die gesetzlichen Pflegekassen einen Überschuss von knapp 100 Millionen Euro erzielen und verfügen nun über ein finanzielles Polster in Höhe von rund 5,6 Millionen Euro. Der Überschuss generiert sich aus den überraschenden guten Einnahmen, die als Folge der verbesserten Arbeitsmarktlage und von Lohnsteigerungen gelten.
Zudem offenbarte eine Studie des IAB zum Gesundheitswesen in Baden-Württemberg, die geringe Berufstreue im Pflegebereich. Nach zehn Jahren arbeiteten nur noch 37% der befragten Fachkräfte in ihrem ursprünglichen Beruf. Die Studie beweist weiter, dass die Kernbereiche des Gesundheitswesen bis heute eine ausgesprochene Frauendomäne darstellen: vier von fünf Beschäftigten im Bundesland Baden-Württemberg sind weiblich.

April: Schlechte Noten für Pflege-Bahr +Exportweltmeister

Im April verteilte die Stiftung Warentest schlechte Noten für den Pflege-Bahr. Die geförderte Pflegezusatzversicherung würde im Pflegefall nicht die Finanzierungslücke decken. Statt den Abschluss eines Pflege-Bahrs lohne sich stattdessen der Abschluss einer herkömmlichen Pflegetagegeldversicherung.
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) will das deutsche Pflegesystem weltweit vermarkten: “Wir wollen zum Exportweltmeister in der Bewältigung der demografischen Herausforderungen werden”, sagte Bahr zum Auftakt der Messe ALTENPFLEGE 2013 in Nürnberg.

Mai: Pflege-TÜV verfassungskonform + Deutsche vorsorgefaul

Den umstrittenen „Pflege-TÜV“ müssen Pflegeeinrichtungen akzeptieren. Das Bundessozialgericht (BSG) weist im Mai eine Klage der Trägergesellschaft CBT gegen die MDK-Noten ab. Die BSG-Richter sehen in der gesetzlichen Regelung zur Veröffentlichung von Pflegenoten grundsätzlich keine Verfassungswidrigkeit. Der Gesetzgeber dürfe die Verantwortung zur Prüfung der Pflegequalität auch den Pflegekassen und so dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) übertragen.
Jeder zweite erwachsene Deutsche befürchtet, in seinem Leben einmal selbst pflegebedürftig zu werden. Trotzdem haben bisher nur 16 Prozent der Bundesbürger nach eigenen Angaben eine private Pflegezusatzversicherung abgeschlossen. Diese Versorgungslücke zeigt die repräsentative Studie „Geschäftspotenziale in der Pflegeversicherung“ des IMWF Instituts für Management und Wirtschaftsforschung auf.

Juni: Senioren ohne Wohnung und Hochwasser

Rentnern in Deutschland droht der soziale „Wohn-Abstieg“ so lautet das Ergebnis der Studie „Wohnen 65plus“. Das Pestel-Institut macht damit auf die Engpässe des deutschen Wohnungsmarkts aufmerksam, der auf die steigende Zahl älterer Menschen schlicht nicht vorbereitet ist. Es mangelt entscheidend an barrierefreien Wohnungen, die eine ambulante Pflege zu Hause erst ermöglichen. Die Studie prognostiziert einen Bedarf von rund 2,5 Millionen zusätzlichen Wohnräumen in den kommenden Jahren und fordert, den Wohnungsmarkt für Senioren nicht länger zu vernachlässigen
Im Juni herrschte in einigen Regionen Deutschlands Land unter. Dem Hochwasser zum Opfer gefallen sind auch zahlreiche soziale und gemeinnützige Einrichtungen, die zum Teil ihre Betreuungs- und Beratungsangebote komplett einstellen mussten. Die Schäden, die Wasser und Schlamm verursacht haben, lassen die Sanierungskosten nicht selten in fünf- bis sechsstellige Höhe steigen. In einem beispielhaften Akt der Solidarität werden in Deutschland Spenden gesammelt für den Wiederaufbau sozialer Institutionen.

Juli: Noch schlechtere Zahlen zum Pflegenotstand

Von einem Sommerloch konnte im Pflegemonat Juli keine Rede sein. Für großes Aufsehen sorgte der Pflegeheim Rating Report, der für das Jahr 2030 einen Anstieg auf 3,3 Millionen Pflegebedürftige prognostiziert. Für den stationären Pflegebereich bedeutet das den zusätzlichen Bedarf von 371.000 Plätzen. Damit sich die bereits angespannte Personalsituation angesichts dieser Zahlen nicht weiter verschärft, werden außerdem 157.000 weitere Fachkräfte im Pflegebereich benötigt.
Mit dem demographischen Wandel beschäftigten sich auch Forscher der Heidelberger Universität. Im letzten Jahrzehnt, so die Ergebnisse der Studie, hat sich die Anzahl der Hundertjährigen in Deutschland mehr als verdoppeln können. Das Geheimrezept der Hundertjährigen? Eine optimistische Lebenseinstellung, eine gute Brise Zufriedenheit und ganz viel Lebensfreude.

August: Altersstudie und Urteil zum Elternunterhalt

Die Generali Altersstudie 2013 gab im August bekannt, dass sich nur 32% der heute 65- bis 85-Jährigen vorstellen kann, in ein Pflegeheim zu ziehen. Die Mehrheit der befragten Senioren gab an, im Falle der Pflegebedürftigkeit die ambulante Betreuung der stationären Versorgung vorzuziehen. Die Gefahrenzonen Badezimmer und Treppenhäuser können jedoch den Lebensabend in den eigenen vier Wänden erschweren. Mehrgenerationenhäuser oder Senioren-WGs gelten in diesen Fällen oft als willkommene Alternativen.
Um das traute Heim ging es auch im Urteil des Bundesgerichtshofes zum Elternunterhalt im August. Nach bisheriger Rechtsprechung mussten die Kinder, die für die Pflegekosten der Eltern aufkommen, auch die eigene Wohnimmobilie als Vermögensanteil für die Zahlung des Elternunterhalts einsetzen. Der Bundesgerichtshof hob diese Entscheidung zugunsten der Kinder auf. Fortan darf der Wohnraum bei der Berechnung des Vermögens nicht miteinbezogen werden. Der eigene Unterhalt und die eigene Altersvorsorge der Kinder darf durch die Unterhaltszahlungen nicht gefährdet werden – so der Beschluss.

September: Bundeswahlkrampf

Die generelle Abschaffung der Schuldgeldpflicht an Altenpflegeschulen forderte im September der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa). In manchen Bundesländern Deutschlands sind Auszubildende in der Altenpflege bereits faktisch von der Zahlung befreit, in anderen wird das Schulgeld jedoch immer noch erhoben. Zahlen, um der Gesellschaft einen unerlässlichen Beitrag zu leisten? Absurd. Im Angesicht des drohenden Fachkräftemangels fatal.
Politisch stand der Pflege-September ganz im Zeichen der Bundestagswahl. Sowohl die CDU/CSU als auch die SPD kündigten im Wahlkampf deutliche Verbesserungen im Bereich Pflege an. Entgegen des groß angekündigten „Jahr der Pflege“ waren die letzten vier Regierungsjahre aus Expertensicht enttäuschend. Obschon einzelne Verbesserungen für Demenzkranke verzeichnet werden konnten, blieben CDU/CSU und FDP weiter hinter ihren Versprechungen. Forderungen wie den Abbau der Pflegebürokratie, verbesserte Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen und gerechteren Vergütungen von Pflegeleistungen begleiteten den Urnengang der Bundesbürger.

Oktober: Aufstehen durch Hinlegen

Getreu dem Motto „Die Pflege liegt am Boden“ legten sich im Oktober in den Zentren von über 20 deutschen Städten Pflegekräfte buchstäblich auf den Boden. Ziel der Kampagne war es, aufmerksam zu machen auf die sich stetig verschlechterten Arbeitsbedingungen. Pflege – das bedeutet die Arbeit am Menschen – so die Organisatoren. In Zeiten von Pflegenotstand, Fachkräftemangel und Unterbezahlung fällt es schwer diesem Auftrag gerecht zu werden. Fest steht, solange sich nichts ändert sind weitere Protestaktionen geplant. Mehr Informationen findet man auf Facebook.

November: GroKo – das große Koalieren

Im November ging es in der Politik ans Eingemachte. CDU/CSU und SPD trafen sich zu Koalitionsverhandlungen. Es galt, den guten Worten im Wahlkampf gute Taten folgen zu lassen.
Für die Pflege sind erstaunlich viele Verbesserungen in den Koalitionsvertrag eingeflossen. So sind beispielsweise Reformen im Bereich Pflegeausbildung geplant, mit dem Ziel die Ausbildungsangebote sowie die Finanzierungsmöglichkeiten zu optimieren. Der gesetzliche Beitrag zur Pflegeversicherung soll außerdem um 0,3% angehoben werden und dient der Verbesserung von Pflegedienstleistungen. Ob die neue Regierung den Maßnahmenkatalog umzusetzen weiß, bleibt jedoch abzuwarten.
Die meisten Vor-Weihnachts-Geschenke gab es für Rentner. So wurde die Senkung des Rentenbeitrages, welche für 2014 vorgesehen war gestoppt. Stattdessen wurden Wahlgeschenke beschlossen, wie die Rente mit 63 oder die Mütter-Rente, welche die Altersarmut abmildern soll.

Dezember: Heilung für Demenz?

Zum Jahresende setzten die G8-Staaten mit der Ausrichtung des weltweit ersten G8-Demenzgipfel ein wichtiges Zeichen: die Bedrohung der Gesellschaften durch dementielle Erkrankungen ist ein international zu lösendes Problem. Vertreter von Regierung, Wissenschaft und Wirtschaft vereinbarten in London, die Ursachenforschung der Krankheit weiter voranzutreiben, um gemeinsam eine Therapie oder gar ein Heilmittel bis 2025 zu entwickeln. Gefördert werden sollen außerdem Zusammenarbeit und Datenaustausch innerhalb der G8-Länder. In Deutschland erkranken jährlich bis zu 40.000 Menschen an Demenz. Das internationale Gipfeltreffen stellt einen Schritt in die richtige Richtung dar – für Erkrankte gleichermaßen wie für Angehörige.

Ausblick auf das Pflegejahr 2014: Die Pflege ist nicht am Boden!

Mit der Ernennung des ehemaligen CDU-Generalsekretärs Hermann Gröhe zum Gesundheitsminister überraschte die Bundeskanzlerin. Hermann Gröhe bringt nur wenig Erfahrung in der Pflege oder der Gesundheit mit. Dies muss in dem Lobby-Haifischbecken der Gesundheitspolitik kein Nachteil sein. Positiv an dieser Personalie ist, dass Gröhe einen guten Draht zur Bundeskanzlerin hat. Dies und die guten wirtschaftlichen Aussichten für Deutschland lassen erwarten, dass die Wohltaten aus dem Koalitionsvertrag für die Pflege auch umgesetzt werden. Vielleicht nicht 2014 aber sehr wahrscheinlich in den nächsten 3 Jahren. Die Probleme in der Pflege und des demographischen Wandels wird dies zwar nicht lösen, dennoch könnte etwas mehr Geld in der Pflege schon sehr helfen. Bleibt zu hoffen, dass weiterhin viele mutige Pflegekräfte auf die Straße gehen, um weiter Druck auf die Politik auszuüben. Vielleicht beteiligen sich ja auch in Zukunft ein paar Wutbürger?

Wir freuen uns auf Ihre Prognosen in unseren Kommentaren!

Was auch immer im nächsten Jahr passiert – die Redaktion von Wohnen-im-Alter.de wünscht Ihnen ein gesundes und erfolgreiches Jahr 2014!

 Bildquelle: Flickr w-tommerich

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