Demenzdorf Alzey: Zukunftsweisendes Modell oder Ausgrenzung von Demenzkranken?
Politik zweifelt am Modell „Demenzdorf“
Das Demenzdorf Alzey befindet sich seit 2012 in der Planung. Doch ein Eröffnungstermin des Demenzdorfes ist vorerst nicht in Sicht. Hauptproblem ist die heimrechtliche Bewertung des Demenzdorfes. Das Demenz-Projekt befindet sich noch in der Prüfung. Das Projekt passt nicht zum Heimgesetz und es müsste eine eigene Klausel für dieses Projekt angewendet werden. Eine Eröffnung könnte durch die Politik beschleunigt werden. Doch das Gesundheitsministerium in Rheinland-Pfalz ist vom Modell „Demenzdorf“ nicht überzeugt. Sozial-/Pflegeminister von NRW und Rheinland-Pfalz trafen sich letzte Woche zur „1. Berliner Länderrunde Pflege“, um über das Modell „Demenzdorf“ zu diskutieren. Bei der Diskussion mit Experten ging es um die Frage: Sind eigenständige Demenzdörfer zukunftsweisende Modelle oder sollten stattdessen die Gesellschaft, die Kommunen, die Quartiere auch für das Leben von Menschen mit Demenz sensibilisiert und entwickelt werden? Oder ist beides parallel machbar?
Offene Quartiere statt Insellösungen
Das Thema „Demenzquartiere – zukunftsweisende Modelle oder Ausgrenzung?“ stand im Mittelpunkt einer ersten Berliner Runde, zu der die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens und der rheinland-pfälzische Sozialminister Alexander Schweitzer gemeinsam einluden. Die Informationsveranstaltung nahm Modelle zur Betreuung von Menschen mit schwerer Demenz kritisch in den Blick. „Wenn wir uns die Dimension der Bedarfe von Menschen mit Demenz an den Prognosen anschauen, dann werden im Jahr 2050 allein in Nordrhein-Westfalen rund 600.000 Menschen mit Demenz mit uns leben“, erklärte Ministerin Steffens. „Da helfen keine Insellösungen für Einzelne, da brauchen wir ein Umdenken in der gesamten Gesellschaft bezüglich der Akzeptanz, Toleranz und Rücksichtnahme. Wir wollen ein Leben mit Demenz überall möglich machen und überall offene Quartiere entwickeln, in denen die unterschiedlichsten Menschen auch bei erhöhtem Unterstützungsbedarf so lange wie möglich in ihrer gewohnten Umgebung leben können“, so die Ministerin weiter. Steffens, so wurde bei der Tagung deutlich, lehnt für NRW die Entwicklung und Förderung von Demenzdörfern, wie z.B. im Alzey geplant, deutlich ab.
Vorbild „De Hogeweyk“
Vorgestellt wurden Planungsvorhaben, die Quartiersansätze nach dem Modell „De Hogeweyk“ in den Niederlanden aufgreifen. Hier leben 152 Menschen mit Demenz im fortgeschrittenen Stadium in einem in sich geschlossenen Dorf mit 23 Häusern mit lebensstilorientierter Umgebung. Die Bewohner können das Dorf nicht verlassen, aber sie können sich frei dort bewegen- mit qualifizierter Unterstützung durch 170 Vollzeitkräfte. Für das Dorf hat eine typische Quartiersstruktur mit Wohnhäusern, aber auch Läden, Theater, Restaurants und einer Arztpraxis erbaut worden, die auch von Angehörigen und Nachbarn des Viertels jederzeit genutzt werden können. Ziel ist es, trotz der Erkrankung ein Leben in einer stimulierenden und vertrauten Lebensform weitgehend selbstbestimmt weiterzuführen. In Rheinland-Pfalz wird ein ähnliches Projekt in der Stadt Alzey derzeit geplant und seit geraumer Zeit fachöffentlich diskutiert. Das Hauptproblem: Die geplant 120 Bewohner sollen in 12 Wohngruppenhäusern mit je 10 Bewohnern leben und durch ambulante Dienste betreut und versorgt werden. Diese Mischung von Demenzeinrichtung als ambulant betreute Wohngruppen ist nach dem gängigen Heimrecht nicht abzubilden.
Welche Demenz-Konzepte sind zukunftsfähig?
In der Diskussion mit Fachexperten wurden verschiedene Konzepte diskutiert, wie unsere Gesellschaft mit der Herausforderung Demenz in Zukunft umgehen soll:
- Die politische Vision, jetzt die politischen Weichen in Richtung demenzfreundliche Kommune, Öffnung der Gesellschaft und gewachsener Quartiere für die Akzeptanz von Menschen mit Demenz, zu stellen, findet breiten Anklang. Erforderlich ist die Einbeziehung von Pflege, Kommunen und Wohnungswirtschaft. Aber: die Umsetzung wird viele Jahre dauern. Kurz: Gesellschaft, geöffnet für Menschen mit Demenz.
- Als Alternative zum Status quo kann die Entwicklung von Demenzquartieren bzw. -dörfern ein deutlicher Fortschritt für Menschen mit fortgeschrittener schwerer Demenz sein. Eine Evaluation zur Erforschung dieses Modells ist erforderlich zur besseren Beurteilung. Kurz: Demenzdörfer, geöffnet für die Gesellschaft.
- Demenzdörfer mögen so etwas sein wie eine „Brückentechnologie“, ein „Übergangsmodell“, bis die politische Vision der demenzfreundlichen Gesellschaft in der Realität angekommen ist. Und auch dann wird man noch einen Welfare-Mix brauchen: professionelle Versorgung, Ehrenamt, bürgerschaftliches Engagement.
- Wir brauchen jetzt die Entwicklung von Angeboten und unterschiedlichen Versorgungsstrukturen, um dem dramatisch steigenden Bedarf gerecht zu werden – ob stationär, ambulant, In Kliniken oder in speziellen Demenzeinrichtungen. Letztlich ist das Wie des Umgangs mit Dementen entscheidend, nicht das Wo.
Was ist Ihre Meinung?
Ist eine demenzfreundliche Gesellschaft eine Utopie? Was halten Sie von Demenzdörfern? Wie sollen wir in Zukunft mit Demenzkranken umgehen?
Wir freuen uns auf Ihre Meinung in den Kommentaren!
Quelle: CareInvest
Bildquelle: feddersenarchitekten
Noch schöner fände ich Projekte, die auch nicht Erkrankten, ob Singles, Alleinerziehenden oder einfach Konzeptfans erlauben, ebenfalls ein solches Dorf zu bewohnen. Erlaubt gegenseitigen Austausch, auch für Angehörige bis zu gegenseitiger Unterstützung und Anregung. Da gibt es viel zu tun!
Was ist aus dem Projekt geworden? Der Artikel ist von 2013. Ich wünschte das Dorf existiert! Wohl aber eher nicht. Sofort würde ich meine Mutter dort einquartieren. Sie muss nun in einem Heim leben und das fällt ihr sichtlich schwer. Ein Demenzdorf wäre eine sehr gute Lösung. Wie mir berichtet wurde ist die Demenz Erkrankung zunehmend.
Hinsichtlich des gesellschaftlichen Bewusstseins ist das wieder „aus den Augen, aus dem Sinn“, so wie das Sterben früher ins Krankenhaus und jetzt ins Pflegeheim abgeschoben wurde.
Der zweite Aspekt ist, dass hier die Betreuung mal wieder optimiert werden soll im Sinne gesamtgesellschaftlicher Effizienz, wie es schon bei den Kitas geschieht.
Menschenwürde ist anders.
Ich finde das ist alles andere als ein Abschieben. Im Gegenteil, eigentlich bringt es Menschen zusammen. Sich als Demenzkranker in einem echten Dorf frei bewegen zu können ist doch viel menschenwürdiger als in ein Zimmer gesperrt zu werden oder in einer Wohngruppe isoliert zu sein. Zusätzlich schafft ein solches Projekt wahnsinnig viele Arbeitsplätze das ist doch ein riesen Vorteil. Wenn ich mir vorstelle ich werde einmal dement, dann würde ich so lieber leben wollen als mir eine der heutigen Möglichkeiten auszusuchen.